Lexikon der Oeko-Irrtuemer
1992. 7 Internet: Web News der »High North Alliance«, 17. 4. 1998. 8 ebd.
»Zoos sind Tiergefängnisse«
Viele Tierpfleger und wissenschaftliche Mitarbeiter von Zoos verbinden Tierliebe mit einem umfangreichen Wissen über ihre Schützlinge. Ausgerechnet diese Menschen werden heute vielfach als Tierquäler hingestellt. Tierrechtler fordern, alle Zoos sofort zu schließen.
Die Kritik an Zoos hat wohl einen wahren Kern: Die großen europäischen Tierparks stammen aus dem letzten Jahrhundert. Sie tragen an den architektonischen Lasten der Vergangenheit. Denkmalgeschützte Käfigburgen oder die ausgekachelten Betonklötze der sechziger Jahre prägen nach wie vor das Bild. Doch der Wandel begann bereits in den siebziger Jahren. Moderne Zoos in den Vereinigten Staaten und den Niederlanden befreiten sich vom Muff der Menageriezeit. Statt, wie früher, in monotonen Käfigreihen ein lebendiges Tierlexikon zu präsentieren, zeigen sie weniger Tiere in großzügigen Anlagen, die möglichst naturnah gestaltet sind. Mit einiger Zeitverzögerung zogen die deutschen Tiergärten nach. Aus chronischem Geldmangel stehen viele veraltete Häuser und Gehege jedoch bis heute.
Haben Zootiere nicht grundsätzlich viel zu wenig Auslauf? Verhaltensforscher argumentieren, daß sich die Tiere - vermenschlichend gesprochen - nicht wie Gefangene fühlen, sondern eher wie Eigenheimbesitzer. Ihr Gehege entspricht einem Revier, welches in der Wildnis schließlich auch am Nachbarrevier endet. Und die Reviergröße hängt sehr davon ab, wie leicht oder schwer die Nahrungsbeschaffung in einem Areal ist. Tiere, die eine gute Futterquelle entdeckt haben, bewegen sich auch in freier Natur nicht weit davon weg.
Wichtiger als die Fläche ist nach Ansicht der Fachleute die Einrichtung eines Geheges. Tiere müssen darin ihre Verhaltensimpulse ausleben können, zum Beispiel Höhlen graben, Nester bauen, schwimmen, spielen oder Beute fangen. Viele Zoos haben daher Beschäftigungsprogramme (»Behavioural Enrichment«) entwickelt, die der natürlichen Lebensweise der Tiere nachempfunden sind.
Jenseits der Diskussion um die artgerechte Unterbringung von Wildtieren ist den Zoos eine neue Aufgabe zugewachsen: Sie wandeln sich zu Artenschutzzentren. Weltweit waren Mitte der neunziger Jahre bereits über 126 Tierarten aus Zoos zurück in die Natur befördert worden. Bei 16 davon gilt als sicher, daß sich der neugeschaffene Wildbestand auf Dauer wieder selbst erhalten kann.
Eine dieser Arten ist der Mauritiusfalke, der in den siebziger Jahren kurz vor dem Aussterben stand. Das Insektengift DDT hatte die Vögel unfruchtbar gemacht. Artenschützer vom Zoo der englischen Kanalinsel Jersey konnten nur noch vier Exemplare aufspüren. Doch das genügte, allen pessimistischen Prognosen zum Trotz, um die Art am Leben zu erhalten. Heute ist DDT verboten, und durch die tropischen Trockenwälder von Mauritius flattern wieder über 300 Falken. Viele stammen von Eltern oder Großeltern ab, die in den Volieren des Zoos von Jersey aufgepäppelt wurden. Ohne die Nachzuchtprogramme auf Jersey wären nicht nur der Mauritiusfalke, sondern auch das Löwenäffchen, der Weiße Ohrfasan, die Rosa Taube, die Mallorca-Geburtshelferkröte und viele weitere Lebewesen ausgestorben.
Tierrechtler lehnen auch den Artenschutz in Zoos ab. Sie seien, so einer ihrer Sprecher, das »Alibi jener, die ihr vernichtendes Werk um so leichter verrichten können«. Deshalb sei es besser, seltene Arten »in Würde sterben zu lassen«.
Dem Arterhalt in Tiergärten sind natürlich Grenzen gesetzt. Alle wissenschaftlich geführten Tiergärten der Welt umfassen zusammen lediglich 180 Quadratkilometer, das ist in etwa die Fläche von Rostock. Die IUCN, der Welt-Dachverband des Naturschutzes, geht davon aus, daß sie zirka 1000 bis 2000 bedrohte Arten dauerhaft beherbergen könnten. Angesichts der 1,5 Millionen bekannten Spezies klingt dies nach dem berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Doch gerade die attraktiven Großtiere, die in Zoos gezeigt werden, haben eine Schutzschildfunktion. Für Tiger oder Elefanten werden Reservate eingerichtet, nicht für Käfer und Spinnen. Wo aber die Großen sicher sind, werden ganz nebenbei Hunderte kleiner Lebensformen bewahrt. Darüber hinaus sind Tiergärten für viele Stadtbewohner, besonders für Kinder, der erste und manchmal der einzige Zugang zur Natur. Die Begeisterung vieler aktiver Naturschützer wurde in Zoos entfacht. 600 Millionen Menschen
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