Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Lexikon der Oeko-Irrtuemer

Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
Vom Netzwerk:
Kohlendioxids bei weiter steigendem Energieverbrauch bis zum Jahr 2030 verdoppeln könnte. Ob sich das Kohlendioxid überhaupt im befürchteten Ausmaß anreichern kann, hängt allerdings von vielen Fragen ab. Zunächst einmal: Wie lange bleibt ein Kohlenstoffmolekül in der Atmosphäre? Über diese sogenannte Verweildauer streiten sich die Fachleute. Es existieren Schätzungen zwischen wenigen Jahren und mehreren Jahrhunderten. Beträgt die Abbaudauer beispielsweise nur ein paar Jahrzehnte, kann es - zumindest aufgrund des menschlichen Tuns - womöglich gar nicht zu der prognostizierten Verdoppelung des Anteils kommen. Die nächste Unbekannte: Mit zunehmendem Verbrauch könnten auch bald die Preise für unsere Brennstoffe erheblich ansteigen, weil Ware knapper, und die Förderung schwieriger wird. Dadurch setzt nach Ansicht vieler Fachleute schon aus rein ökonomischen Gründen ein Abflachen der Verbrauchskurve - und in der Folge der menschengemachten CO 2 -Konzentration - ein.
    Hinzu kommt die Frage, inwieweit die Vegetation auf einen erhöhten Anteil von Kohlendioxid mit erhöhtem Wachstum und gesteigertem CO 2 -Verbrauch reagiert. Fest steht, daß von den 26 Milliarden Tonnen, die die Menschheit gegenwärtig in die Luft bläst, nur etwa die Hälfte in der Atmosphäre bleibt. Professor Ranga Myneni von der Boston University glaubt, daß die verstärkt sprießenden Wälder der nördlichen Hemisphäre bereits einen Teil davon aufzehren. 7 Diesem Wachstum kommen außerdem teilweise längere Vegetationszeiten mit milden Temperaturen zugute. Die Kalziumkarbonatschicht auf dem Meeresboden ist ebenfalls im Wachstum begriffen; sie legt in einem Jahrtausend um etwa 3,5 Zentimeter zu. Dabei wird Kohlendioxid in Kalk umgewandelt.
    Im großen und ganzen ist der Kohlenstoffkreislauf nach wie vor ein Rätsel. Riesige Mengen Kohlendioxid verschwinden in sogenannten »Senken«, von denen wir nur die wenigsten kennen. Große Anteile verschwinden in den Ozeanen, aber auch die Böden sind nicht zu unterschätzen: Alleine in den Mooren Finnlands lagert in etwa soviel Kohlenstoff wie in der gesamten Atmosphäre. 8 Diese Senken nehmen -erdgeschichtlich gesehen - mal mehr, mal weniger Kohlendioxid auf, scheinbar ganz wie es ihnen paßt. In der Zeit der Dinosaurier war der Anteil des Kohlendioxids in der Atmosphäre auch ohne Zutun des Menschen drei- bis fünfmal so hoch wie heute. Deshalb fragen viele Wissenschaftler: Werden beim Zusammenhang von Kohlendioxid und Temperatur möglicherweise sogar Ursache und Wirkung vertauscht?
    Man stelle sich die Ozeane einmal wie eine große Sprudelflasche vor. Wer eine (offene!) Sprudelflasche erhitzt, sieht, daß mehr und mehr CO 2 aufsteigt. »In der Erdgeschichte kann man feststellen, daß mit höheren Temperaturen auch der CO 2 -Spiegel stark ansteigt«, erklärt Professor Negendank, Geophysiker am Geoforschungszentrum Potsdam, und stellt die delikate Frage: »Wer verursacht hier eigentlich was?« Bohrkernanalysen im grönländischen Eis verraten uns bis zu 160000 Jahre zurück die jeweiligen Temperaturen und Kohlendioxid-Konzentrationen. Werden beide Kurven übereinander gelegt, so zeigt sich: Erst kam die Erwärmung, dann der Kohlendioxidanstieg. Historisch gilt diese Abfolge inzwischen als weitgehend gesichert.
    Im aktuellen Bezug läßt uns hier eine Beobachtung im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo stutzen: So sanken Anfang der neunziger Jahre die Temperaturen infolge der abschirmenden Wirkung der gewaltigen Eruptionswolken. Und mit den sinkenden Temperaturen nach dem Vulkanausbruch ging erstaunlicherweise auch die Zunahme des Kohlendioxids in der Atmosphäre auffallend zurück (von 2,5 Teilen pro Million 1987/88 auf 0,6 Teile pro Million 1991/92). Dies geschah, obwohl die menschliche Zivilisation unverdrossen weiter Kohlendioxid in die Luft pustete.
    Die Kardinalfrage in der Klimadiskussion lautet auch hinsichtlich des Kohlendioxids: Haben wir es mit einem eher dämpfenden und sich selbst regulierenden Prozeß zu tun? Oder könnte es sein, daß der Mensch trotz seines relativ kleinen Anteils am Gesamt-CO 2 eine Art Domino-Effekt in Gang bringt und sich das System aufschaukelt? Denkbar wäre folgender Ablauf: Ein steigender Kohlendioxidanteil zieht etwas höhere Temperaturen nach sich - höhere Temperaturen setzen mehr Kohlendioxid (beispielsweise aus Ozeanen und Dauerfrostböden) frei - mehr Kohlendioxid bewirkt mehr Treibhauseffekt -und so weiter und so fort. Kommt eine

Weitere Kostenlose Bücher