Lexikon der Oeko-Irrtuemer
solche Spirale in Gang, ist es letztlich egal, was ursprünglich Ursache und was Wirkung war.
Ein solcher Kippeffekt ist nie mit letzter Sicherheit auszuschließen. Wasser kann man sehr lange folgenlos erhitzen - aber plötzlich fängt es an zu kochen. Anlaß für große Veränderungen können sehr kleine Ereignisse am Anfang der Kausalkette sein - sowohl aufgrund menschlichen Handelns als auch aufgrund natürlicher Geschehnisse (beispielsweise eines Vulkanausbruches). Die bisherige Erfahrung zeigt jedoch, daß Vulkanausbrüche oder plötzliche Meeresströmungen wie El Nino sehr viel klarere Signale im Klimageschehen hinterlassen als die noch nicht einmal eindeutig als klimabestimmend identifizierte Kohlendioxid-Konzentration.
Neue Zweifel an der Vorstellung vom Kohlendioxid als Klimagift nähren aufsehenerregende Ergebnisse der sogenannten Spektroskopie. Jack Barret, Physiker am Imperial College in London, ist Spezialist für dieses Verfahren, welches uns erlaubt, das Treibhauspotential eines Gases zu messen. Danach absorbiert eine 100 Meter dicke Luftschicht mit dem derzeitigen Kohlendioxidanteil 72,8 Prozent der Wärmestrahlung. Wird der Anteil des Kohlendioxids verdoppelt, erhöht sich der Anteil der absorbierten Wärmestrahlung nur auf 73,5 Prozent. 9 Das würde heißen: Die maximale Treibhauswirkung von CO 2 ist bei der heutigen Zusammensetzung der Atmosphäre praktisch schon zu 100 Prozent erreicht. - Mehr ginge dann gar nicht. Wird ein Treibhaus von einer Scheibe abgeschlossen, so ist es egal, ob diese aus Panzer- oder Fensterglas besteht.
Messungen, die der deutsche Chemiker Heinz Hug Ende 1997 durchgeführt und in der »Chemischen Rundschau« sowie der wissenschaftlichen Fachzeitschrift »Chemkon« veröffentlicht hat, stützen die These des Engländers. »Die maximale Treibhauswirkung von Kohlendioxid liegt bereits bei einer Konzentration von 280 Teilen pro Million vor«, sagt Hug und fügt hinzu: »Im Klartext heißt das, CO 2 ist ein so wirksames Treibhausgas, daß es bereits zu Goethes Zeiten alles tat, was es tun kann.« 10
Auch Forscher, die sich dieser Meinung nicht anschließen, beurteilen die tatsächliche Treibhauswirkung von Kohlendioxid zunehmend vorsichtiger. Ein britisch-norwegisches Wissenschaftlerteam beispielsweise korrigiert sie in den »Geophysical Research Letters« immerhin schon um 15 Prozent nach unten (gegenüber den Annahmen des IPCC). Eine solche Größenordnung macht die gängigen Computer-Prognosen, die auf diesen übertriebenen Annahmen der Kohlendioxidwirkung beruhen, höchst fragwürdig. 11
Aufhorchen lassen auch 1999 veröffentlichte Untersuchungen von Meeressedimenten. Erdgeschichtlich scheint es trotz gleicher oder niedrigerer Kohlendioxid-Konzentrationen als heute teilweise um bis zu sechs Grad wärmer gewesen zu sein. Diese Entkoppelung von Kohlendioxidanteil in der Atmosphäre und Lufttemperaturen spricht gegen den angenommenen einfachen Wirkungsmechanismus. Dies führt zu der Vermutung, daß es - zumindest zeitweise - andere entscheidende Einflußgrößen auf das Klima geben muß. 12
Wir dürfen also weiterhin gespannt sein. Was unser Wissen um die Wirkung des Kohlendioxids und den Kohlenstoffkreislauf anbetrifft, befindet sich die Wissenschaft wohl eher am Anfang als am Ende. Dies gilt auch für Wirkungen und Wechselwirkungen anderer Treibhausgase wie Methan, Lachgas, Ozon oder Stickstoffdioxid.
1 S. M. Rapoport, Medizinische Biochemie, 7. Auflage, 1972. 2 H. Hug, Der tägliche ÖkoHorror, 1997. 3 BUND und Misereor, Zukunftfähiges Deutschland, 1996. 4 Volkswagen, Umweltbericht 1996 (unter Berufung auf Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, sowie der Internationalen Energieagentur, IEA). 5 GSF-Forschungszentrum, Hintergrundinformation »Kohlendioxid«, Februar 1997. 6 Naturwissenschaftliche Rundschau Nr. 2/1997. 7 Focus Nr. 19/1997. 8 GSF-Forschungszentrum, Mensch & Umwelt, Juni 1997. 9 J. Barret, Vortrag »Die spektroskopischen Eigenschaften des CO 2 «, gehalten beim Symposium »Klimaveränderungen -Ursachen und Auswirkungen« der Europäischen Akademie für Umweltfragen, Bonn, 10. 10. 1997. 10 Chemische Rundschau vom 20. 2. 1997 und Chemkon Nr. 1/2000. 11 Geophysical Research Letters vom 15. 7. 1999. 12 Science, Bd. 284, Seite 1824. Paleoceonography, Bd. 14, Seite 273.
»Seit der Industrialisierung hat sich das Klima aufgeheizt«
Eine beliebte journalistische Floskel, die den verderblichen Einfluß
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