Lexikon der Oeko-Irrtuemer
Prozent wirklich abhanden. Dieser Anteil wurde vom Mississippi weggespült. Die restlichen 93 Prozent wehte der Wind von einem Feld auf das nächste. In 140 Jahren Landwirtschaft blieb die Dicke der obersten Bodenschicht nahezu unverändert.''
1 Politische Ökologie, Sonderheft 10, 1997. 2 G. Easterbrook, A Moment on Earth, 1995. 3 ebd. 4 ebd.
»Die Wüsten werden immer größer«
Seit Jahrzehnten kann man in den apokalyptischen Zukunftsszenarien lesen, daß sich die Wüsten der Welt dramatisch ausdehnen. Die Vereinten Nationen erklärten das Jahr 1977 zum »Year of Desertification« (Jahr der Wüstenbildung). Die von US-Präsident Jimmy Carter in Auftrag gegebene Umweltstudie »Global 2000« sagte voraus, daß die Wüstengebiete der Erde bis zum Jahr 2000 um 20 Prozent wachsen werden. Im Mittelpunkt der Besorgnis stand immer wieder die Sahel-Zone. Warner prophezeiten, die Menschen und ihre Viehherden würden dafür sorgen, daß die Sahara sich immer weiter nach Süden ausbreitet. 1994 unterzeichneten mehr als 100 Staaten eine internationale Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung. In Bonn (das im eher wüstenarmen Rheinland liegt) wurde 1997 ein neugegründetes Wüstensekretariat der UN angesiedelt.
Vor lauter Wüstenpanik fällt leicht unter den Tisch, daß Wüsten an sich nichts Böses sind. Viele Wüsten der Erde, wie die Namib in Namibia oder die Sonora-Wüste in Mexiko, sind wunderbare Landschaften voller Leben. In Kalifornien gibt es sogar ein Wüstenschutzgesetz (»California Desert Preservation Act«).
Ein weltweiter Trend zur Ausdehnung der Wüsten ist kaum zu erkennen (ganz zu schweigen von einer zwanzigprozentigen Zunahme, wie in »Global 2000« vorhergesagt). »Pauschale Aussagen über die Ausdehnung von Wüsten sind nicht möglich«, sagt der Sahel-Experte Professor Thomas Frings aus Freiburg. Auf Afrika bezogen hält er die Behauptung eines großflächigen Wüstenwachstums für völlig unbegründet. Diese Position wird von vielen Wüstenforschern geteilt, die der Ansicht sind, daß Wüsten sich nicht einseitig ausdehnen, sondern Zyklen von Wachstum und Rückzug durchmachen. Empirische Studien geben ihnen recht. Amerikanische Satellitenfotos zeigen, daß die Sahara zwischen 1970 und den frühen achtziger Jahren um 16 Prozent wuchs. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre schrumpfte sie dann um neun Prozent. 1 Die »New York Times« faßte in ihrem Wissenschaftsteil den Stand der Wüstenforschung 1994 unter der Überschrift zusammen »Desertification Scare Appears Unsupported by Research« (Die Angst vor einer Ausdehnung der Wüsten scheint von der Forschung nicht gedeckt zu sein).
Der Öko-GAU im Sahel fand nicht statt. Neuere Veröffentlichungen der Weltbank und anderer Entwicklungsorganisationen kommen zu dem Schluß, daß die gigantische Katastrophe, die in den achtziger Jahren vorhergesagt wurde, nicht eingetreten ist und wahrscheinlich auch nicht eintreten wird. 2 Das Vordringen der Sahara konnte in der Sahel-Region, die vom Senegal bis nach Eritrea reicht, gestoppt werden, unter anderem durch verbesserte Landwirtschaftstechniken, Aufforstung und Steinwälle an den Rändern der Wüste. In einigen Regionen ist es sogar gelungen, der Sahara urbares Land abzutrotzen. Selbst die besonders von Trockenheit bedrohten Länder im Inneren des Kontinents wie Mali, Niger, Burkina Faso und Tschad haben ihre landwirtschaftliche Produktion in den neunziger Jahren steigern können. 3 Äthiopien exportierte 1997 Getreide. 4
Die verbreitete Theorie, Wüstenränder würden vom Vieh der Hirtennomaden durch Überweidung zerstört, wird heute von Wissenschaftlern bezweifelt. Sie kritisieren Kollegen, die in der Vergangenheit das trostlose Aussehen ausgetrockneter Böden für einen Endzustand gehalten haben. Doch im Zyklus der Wüsten kann schon ein einziger Regenschauer binnen Stunden wieder saftiges Gras sprießen lassen. Ökologen meinen, daß die Hirten gar nicht so unvernünftig handeln.
Sie nehmen in Dürrezeiten drastische Verluste in Kauf, und versuchen in guten Jahren, die Herden möglichst rasch zu vermehren. Über längere Zeiträume betrachtet blieb der Viehbestand im Sahel ungefähr gleich. Dies widerspricht der gängigen Meinung, die Weiden dort würden immer unfruchtbarer und könnten immer weniger Tiere ernähren. 5
Wie schwer durchschaubar die ökologischen Prozesse der Wüstenbildung sind, zeigt ein Versuch in Arizona. Seit dreißig Jahren beobachten Wissenschaftler dort
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