Lexikon der Oeko-Irrtuemer
kaufte 1995 schon jeder vierte Deutsche regelmäßig Bioprodukte. 67 Prozent haben sich zumindest vorgenommen, häufiger Öko-Lebensmittel zu kaufen. 12 Das Umsatzvolumen für Biokost wurden 1996 auf über drei Milliarden Mark geschätzt. 13
1 H. Willer (Hrsg.), Ökologischer Landbau in Europa, 1998. 2 Wochenpost vom 25. 1. 1996. 3 H. Willer (Hrsg.), Ökologischer Landbau in Europa, 1998. 4 International Federation of Urganic Agriculture Movements, Organic Farming, 1996. 5 Ökologie und Landbau Nr. 4/1997. 6 die tageszeitung vom 6. 11. 1995. 7 WWF-Journal Nr. 3 /1994. 8 Akzente Nr. 3 /1996. 9 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. 3. 1997. 10 Hipp-Presseinformation, 19. 11. 1997. 11 Bundeslandwirtschaftsministerium, Agrarbericht der Bundesregierung, 1997. 12 Brigitte Nr. 16/1995. 13 H. Willer (Hrsg.), Ökologischer Landbau in Europa, 1998.
»Bio-Lebensmittel sind zu teuer«
Nein, denn die Lebensmittel aus konventioneller Produktion sind nur scheinbar billiger. Was die Verbraucher an der Ladentheke sparen, wird ihnen als Steuerzahler wieder abgenommen. 1996 verschlang die europäische Landwirtschaft 78 Milliarden Mark an Zuschüssen - mehr als die Hälfte des gesamten EU-Etats. Zirka 13 Milliarden Mark davon flössen nach Deutschland. Zusätzlich erhielten deutsche Landwirte 1996 etwa 15 Milliarden Mark aus Bundes- und Landesmitteln. Schätzungsweise wird die EU allein für die Folgen der BSE-Seuche 12 Milliarden Mark ausgeben müssen (nicht eingerechnet die nationalen Ausgaben der Mitgliedsstaaten). 1 Eine dreiköpfige Familie in Deutschland wird jährlich mit etwa 1500 Mark belastet, um die Landwirtschaft zu stützen. 2
Landwirte erhalten verbilligten Dieselkraftstoff, Beihilfen für Versicherungen, Preisausgleichszahlungen, Tierprämien und eine Vielzahl weiterer Zuschüsse. Der Großteil der Steuermittel kommt jedoch nie beim Bauern an. Er verschwindet in der EU-weiten Agrar-Planwirtschaft. Obendrein verursacht der konventionelle Landbau durch Umweltverschmutzung Reparaturkosten, die über den Trinkwasserpreis bezahlt werden. Übermäßig ausgebrachte Gülle und Mineraldünger verseuchen das Grundwasser mit Nitrat. Wasserwerke geben Millionen aus, um die Rückstände wieder herauszufiltern. Würden alle versteckten Kosten an der Ladentheke bezahlt, wären konventionelle Lebensmittel nicht billiger als Öko-Ware.
Biobauern haben geringere Erträge im Pflanzenbau, weil sie weniger düngen und keine Pestizide einsetzen. (Sie haben dadurch allerdings auch weniger Ausgaben). Sie mästen ihre Tiere wesentlich langsamer, geben ihnen Auslauf und angenehmere Ställe. Biobauern haben höhere Lohnkosten, weil die bessere Betreuung der Tiere und vermehrte Handarbeit, etwa beim Jäten, mehr Arbeitskräfte erfordern. Deshalb müssen Biobauern höhere Preise für ihre Produkte nehmen. Doch sie vergiften das Wasser nicht, quälen keine Tiere, zerstören die Landschaft und die Artenvielfalt nicht und schaffen Arbeitsplätze. Nach einer Umfrage der Münchner Schwcisfurth-Stiftung finden auf Biobetrieben rund ein Drittel mehr Menschen Arbeit als auf herkömmlichen Höfen.
Dreh- und Angelpunkt der meisten Fehlentwicklungen in der Landwirtschaft sind die niedrigen Verbraucherpreise. Wer Fleisch so billig wie möglich erzeugen muß, wird dadurch gezwungen, Tiere wie leblose Dinge zu behandeln. Rinderwahnsinn, Schweinepest-Epidemien, Hormonfleisch, Fabrikställe, grausame Tiertransporte und belastetes Trinkwasser sind direkte Folgen der so angenehm billigen Lebensmittel. Der deutsche Durchschnittshaushalt gibt nur noch 16 Prozent seines Einkommens für die Ernährung aus. Das ist kaum mehr, wie für Freizeit und Reisen ausgegeben wird. 3
Fleisch wurde im Verhältnis immer billiger
Arbeitszeit 1960
Arbeitszeit 1994
Preis 1960
Preis 1994
250 g Markenbutter
39 Min.
6 Min.
1,63 DM
2,00 DM
1 L Vollmilch
17 Min.
4 Min.
0,70 DM
1,32 DM
10 Eier
46 Min.
8 Min.
1,90 DM
2,82 DM
1 kg Rindfleisch
124 Min.
31 Min.
5,14 DM
11,10 DM
1 kg Schweinekotelett
157 Min.
36 Min.
6,50 DM
12,66 DM
1 kg Brathähnchen
133 Min.
14 Min.
5,52 DM
5,01 DM
Westdeutschland; Basis: Durchschnittliche Nettolohn- und -gehaltssumme je geleistete Arbeitsstunde. 1960 = 2,49 DM, 1994 = 21,26 DM
Die Deutschen können sich immer mehr tierische Lebensmittel leisten. Doch die Billigproduktion beruht auf Tierquälerei. Wenn ein Hähnchen beim Endverbraucher fünf Mark kosten soll, muß es zwangsläufig in einem Fabrikstall aufgezogen werden.
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