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Lexikon der Oeko-Irrtuemer

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Titel: Lexikon der Oeko-Irrtuemer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk und Miersch Maxeiner
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    Kritiker aus den Umweltverbänden dagegen befürchten, der Schilfgrasanbau bringe neue Monokulturen, auf denen die Landwirte hemmungslos Dünger und Pestizide ausbringen. Denn auf Schadstoffbelastungen muß - anders als beim Getreideanbau - kaum Rücksicht genommen werden, da die Energiepflanzen nicht auf dem Mittagstisch landen. Wirtschaftliche Modellrechnungen für den Anbau von Schilfgras seien »mit besonderer Vorsicht zu bewerten«, warnte Friedrich-Wilhelm Kuhlmann vom Landwirtschaftsministerium. Die Pflanze verbrauche Unmengen Wasser und sei nicht an europäische Klimabedingungen angepaßt. 8 Wolfgang Reimer, Landwirt und Chefredakteur der »Bauernstimme«, kritisierte, daß Schilfgras mit seinem Wurzelwerk den Boden verholze und so den Anbau anderer Gewächse erschwere. 9 Auch Hannes Lorenzen, grüner Agrarexperte im Europäischen Parlament, hält die Schilfgras-Euphorie für einen »grundverkehrten Ansatz«. 10
    In der Regel ist es vernünftig, erneuerbare Ressourcen einzusetzen, um nicht erneuerbare Rohstoffe zu schonen. Aber auch diese Regel kann - dogmatisch angewandt - kompletten Unsinn hervorbringen. Nachwachsende Rohstoffe schonen die Vorräte von Kohle und Erdöl, soweit so gut. Doch wenn die europäischen Bauern das Land mit Schilfgras, Raps, Flachs, Hanf und Zuckerrüben überziehen, werden Naturgebiete vernichtet und eintönige, artenarme Anbauflächen geschaffen. Zugespitzt ausgedrückt: Wir zerstören unsere heutige Natur, um die Natur vergangener Zeitalter (Erdöl entstand aus den Wäldern der Karbonzeit) zu bewahren.
    Wenn der ökologische Landbau - was zu hoffen ist - weiter an Bedeutung gewinnt, werden die derzeitigen »Brachflächen« ohnehin wieder gebraucht, denn Biolandbau benötigt mehr Fläche. Ein zusätzlicher Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in Europa könnte dann nur auf Kosten von Wäldern und Naturgebieten gehen.
      
    1 Natur Nr. 8/1995. 2 Die Zeit vom 29. 8. 1997. 3 Der Spiegel Nr. 22/1995. 4 Der Spiegel Nr. 22/1992. 5 ebd. 6 Robin Wood Magazin Nr. 3/1997. 7 M. Heyde, Referat beim »European Materials Research Society« Meeting in Straßburg, 16.-20. 6. 1997. 8 Der Spiegel Nr. 32/1992. 9 Natur Nr. 5/1993. 10 Greenpeace Magazin Nr. 11/1991

»Die Ackerböden gehen durch Erosion verloren«
      
    Es gab und gibt immer wieder Erosionsdesaster, die in schlimmen Fällen ganze Landstriche veröden: In den dreißiger Jahren verwehten Winde in den Vereinigten Staaten große Mengen Ackerboden (»Dust Bowl«). Die Aralsee-Region verkarstete durch wasserwirtschaftliche Fehlplanungen der sowjetischen Behörden. Die deutsche Öffentlichkeit erschrak, als Staubstürme im April 1997 in Regionen Ostdeutschlands die Ackerkrume von den Feldern abtrugen.
    Kann man daraus einen allgemeinen Trend zum Bodenverlust ableiten? Dies ist unter Experten umstritten. Der Klimaforscher Professor Hartmut Graßl schreibt, daß die Bodenerosion die Bodenbildung in Deutschland um den Faktor fünf übersteigt. 1 Eine von US-Präsident Jimmy Carter in Auftrag gegebene Untersuchung (»National Agricultural Lands Study«) sagte 1979 voraus, daß Bodenverlust schon bald das größte nationale Problem der USA sein werde. Der jährliche Abtrag von fruchtbarem Ackerland durch Erosion wurde darin mit 1,2 Millionen Hektar angegeben. Doch später stellte sich heraus, daß den Verfassern ein Rechenfehler unterlaufen war, als sie eine Bodenschutz-Erhebung von 1967 mit einer von 1975 verglichen. Der Verlusttrend, den sie herausgelesen hatten, existierte nicht. Doch bis heute wird die Angabe »1,2 Millionen Hektar« als quasi amtlich zitiert. 2
    Das niederländische ISRIC-Institut (International Soil Reference and Information Center, zu deutsch etwa: »Internationales Boden-Auskunftszentrum«) gibt an, daß infolge von Bodenverlusten in den US-Staaten Illinois, Iowa, Kansas und Nebraska die Produktivität der Landwirtschaft drastisch abgenommen habe. Doch auch diese Behauptung hielt einer Nachprüfung nicht stand. Die Produktivität der Farmen stieg in den vier Staaten seit 1945 kontinuierlich an. 3
    Ein wichtiges Faktum wird bei vielen Erosionsszenarien nicht erwähnt: Erde, die an einer Stelle abgetragen wird, verschwindet dadurch nicht aus der Welt. Sie lagert sich woanders wieder ab. Oftmals ganz in der Nähe, wie eine geologische Studie im Coon Creek-Becken von Wisconsin zeigte. Von der gesamten seit 1850 durch Wind und Wasser abgetragenen Ackerkrume kamen der Region lediglich sechs bis sieben

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