Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
Vom Netzwerk:
am nächsten Laternenpfahl lecken. Man friert dann zwar immer noch fest, aber bitte, das ist das gute Recht jedes volljährigen Bürgers. Nicht abschließend geklärt ist jedoch die wichtige Frage, ob man ununterbrochen Computerspiele spielen und im Taschenlampenlicht unter der Bettdecke lesen darf, oder ob unsere Eltern und Großeltern doch recht hatten und man sich dabei die Augen verdirbt. Die einen sagen so, die anderen sagen so, und wie erwachsene Menschen wollen wir jetzt die Argumente beider Seiten betrachten. Es könnte sich lohnen, dabei vorsichtshalber das Buch nicht allzu nahe vors Gesicht zu halten.
    Was genau in welcher Reihenfolge mit dem Auge passiert, wenn ein Mensch kurzsichtig wird, ist kompliziert und noch nicht ganz verstanden. Für unsere Zwecke soll es genügen, dass der Augapfel aus der Form gerät, nämlich zu lang wird. Jetzt kann das Bild der Außenwelt nicht mehr ordnungsgemäß auf die Netzhaut projiziert werden, und man braucht eine Brille. Dass überhaupt ab und zu ein normalsichtiger Mensch entsteht, ist ein kleines Wunder, denn der Körper muss dazu im Laufe des Wachstums die Augapfellänge in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren auf Millimeterbruchteile genau justieren. Kurzsichtigkeit kann sich in jedem Lebensalter bemerkbar machen. Je früher sie auftritt, desto höhere Dioptrienwerte werden im Allgemeinen im Lauf des Lebens erreicht; der Fortschritt der Kurzsichtigkeit kann aber auch jederzeit vorübergehend oder dauerhaft zum Stillstand kommen. Auf die unterschiedlichen Varianten der Kurzsichtigkeit gehen wir hier nicht näher ein, um uns ungestört der Frage widmen zu können: Warum und wodurch werden Menschen kurzsichtig?
    Dazu wäre es hilfreich, zunächst zu klären, wie viele und welche Art Menschen von Kurzsichtigkeit betroffen sind. Weil Kurzsichtigkeitsforscher nicht mal eben bei allen Menschen an der Tür klingeln und Sehtests durchführen können, werden stellvertretend häufig Schüler, Studenten, Soldaten oder andere Bevölkerungsgruppen untersucht, die sich nicht wehren können. Aus solchen Untersuchungen erfährt man viel über Schüler, Studenten und Soldaten, aber leider wenig über die Gesamtbevölkerung. So heißt es über eine an israelischen Piloten durchgeführte Studie, ihre Ergebnisse seien «nur auf Piloten in Israel übertragbar». Da in der betreffenden Studie mehr als 1200 Piloten untersucht wurden, bleibt vermutlich in ganz Israel kein Pilot übrig, auf den man die Ergebnisse noch anwenden könnte. Außerdem kommen bei den meisten Studien und in den meisten Ländern auch noch unterschiedliche Messmethoden zum Einsatz. Aber selbst wenn man alle Zahlen mit der gebotenen Skepsis betrachtet, zeigen sich zwei Dinge sehr deutlich: Es gibt viele Kurzsichtige auf der Welt (nämlich bis zu 2,3 Milliarden), und die Wahrscheinlichkeit, einer von ihnen zu sein oder zu werden, hängt stark davon ab, in welchem Land man lebt. Relativ wenige Kurzsichtige scheint es in Südamerika (unter 10 Prozent), Afrika und Australien (je ca. 10 – 20 Prozent) und Indien (ca. 10 Prozent) zu geben, Westeuropa und die USA liegen mit etwa 10 – 30 Prozent im Mittelfeld, und in Japan, Taiwan, Südkorea und Singapur wird man als Schulkind vermutlich verspottet, wenn man keine Brille trägt, denn dort sind 50 – 80 Prozent aller Menschen kurzsichtig. Aber nicht nur das Land spielt eine wichtige Rolle: Amerikaner, die näher an der Küste leben, sind kurzsichtiger als Amerikaner im Landesinneren, Studenten kurzsichtiger als Hilfsarbeiter, Weiße kurzsichtiger als Schwarze, Stadtbewohner kurzsichtiger als Landbewohner.
    War das schon immer so? Dass wir bei Ausgrabungen steinzeitlicher Siedlungen keine Brillen finden, beweist leider überhaupt nichts. Denkbar wäre natürlich, dass Kurzsichtige früher mangels Brille schneller vom Säbelzahntiger gefressen wurden, als man «Sehtest» sagen konnte. Mittlerweile ist aber unumstritten, dass in den meisten Gegenden der Welt heute mehr Kurzsichtige leben als noch vor wenigen Jahrzehnten – nur die Australier behaupten, bei ihnen habe man die Kurzsichtigkeit im Griff. Aber was soll man auch von einem Land erwarten, in dem selbst die Tiere ganz anders funktionieren als anderswo? Besonders dramatisch ist der Anstieg in einigen asiatischen Ländern – in Singapur etwa waren 80 Prozent der männlichen Armee-Rekruten im Jahr 2004 kurzsichtig, im Vergleich zu 25 Prozent 1974. Viele Forscher vermuten, dass auch die westlichen Länder von dieser

Weitere Kostenlose Bücher