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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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Entwicklung nicht verschont bleiben werden.
    Da Kurzsichtigkeit Kosten verursacht und – durch das gleichzeitig erhöhte Risiko bestimmter Augenerkrankungen – zur Erblindung führen kann, ist das Interesse an ihrer Erforschung groß. Entsprechend zahlreich sind die Erklärungsmodelle, die sich in drei Gruppen einteilen lassen: Kurzsichtigkeit ist entweder genetisch bedingt oder durch Umweltbedingungen und Verhaltensweisen ausgelöst oder aber beides. Die Ergebnisse der unzähligen Untersuchungen zur Kurzsichtigkeit sind, vorsichtig ausgedrückt, sehr unterschiedlich. Wenn man davon ausgeht, dass alle Studien sorgfältig und ohne Schlamperei durchgeführt wurden, könnte das heißen, dass es womöglich ein bisher unbekanntes verbindendes Element in der Entstehung der Kurzsichtigkeit gibt, oder aber es führen einfach unüberschaubar viele Wege zur Kurzsichtigkeit.
    Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war das Spielfeld etwas übersichtlicher: Kurzsichtigkeit galt als genetisch bedingt, kurzsichtige Eltern bekamen kurzsichtige Kinder, und die hohen Kurzsichtigkeitsraten bei bestimmten Bevölkerungsgruppen wurden als statistisches Kuriosum abgetan. Tatsächlich scheint es Menschen zu geben, die einfach nicht kurzsichtig werden, auch wenn sie alle guten Ratschläge der Kurzsichtigkeitsforscher in den Wind schlagen. Gegen die Gen-Theorie spricht jedoch, dass in Indien aufwachsende Inder viel seltener kurzsichtig sind als in Singapur lebende Inder. Auch bei nepalesischen Sherpa- und Tibeterkindern, die sich genetisch nicht groß voneinander unterscheiden, klaffen die Kurzsichtigkeitsraten weit auseinander. Große Unterschiede in der Häufigkeit der Kurzsichtigkeit bei verschiedenen ethnischen Gruppen sind unübersehbar, aber es mangelt an Studien, die die genetischen Faktoren klar von Umweltfaktoren trennen. Vielleicht übernehmen kurzsichtige Kinder ja nur die schlechten Angewohnheiten ihrer Eltern?
    Der britische Genetiker Christopher Hammond veröffentlichte 2004 die Ergebnisse einer Zwillingsstudie, die auf einen Zusammenhang zwischen Kurzsichtigkeit und einem Defekt des für die Augenentwicklung wichtigen Gens PAX6 hindeutet. Auch andere Zwillingsstudien weisen tendenziell auf einen starken genetischen und geringen Umwelteinfluss hin, die hohen Kurzsichtigkeitsraten etwa bei Studenten aber auf das Gegenteil. Unter anderem weil der rapide Anstieg der Kurzsichtigkeitsraten in vielen asiatischen Ländern gegen eine genetische Ursache spricht, wird die Gen-Theorie heute meist in abgewandelter Form vertreten: Die Anlage zur Kurzsichtigkeit könnte erblich sein, während Umweltfaktoren über das Auftreten und den Verlauf der Erkrankung bestimmen.
    Aber welche Umweltfaktoren kommen dafür infrage? Einer Theorie zufolge orientiert sich das Auge in seinem Längenwachstum an den Anforderungen für scharfe Fernsicht und überlässt die Regelung für den Nahbereich der Augenmuskulatur. Ein Mangel an Gelegenheiten, überhaupt in die Ferne zu blicken, würde diese Feinjustierung des Augenwachstums unterlaufen. Noch ist man sich nicht einmal darüber einig, ob (wie man früher annahm) zu häufiges Scharfstellen oder (wie heute eher vermutet wird) zu seltenes Scharfstellen die Fehlentwicklung auslöst. Vieles spricht jedenfalls dafür, dass viel Arbeit im Nahbereich zu Kurzsichtigkeit führt: Je höher die Schulbildung, desto höher ist auch die Kurzsichtigkeitsrate, und bei Schülern schreitet die Kurzsichtigkeit in Zeiten intensiven Lernens schneller, in den Schulferien aber langsamer voran. Auch hier ist der Einfluss des Lesens oder der Schreibtischarbeit nicht leicht zu isolieren, denn gleichzeitig findet solche Arbeit in Innenräumen statt, wo es zu viel Licht, zu wenig Licht oder Licht der falschen Sorte geben könnte. Zudem sind Kinder, die viel lesen, häufig introvertiert und sitzen daher vielleicht insgesamt mehr zu Hause herum als andere Kinder – vielleicht aber auch nicht: Eine Studie des US-Forschers Donald Mutti zeigt, dass das Freizeitverhalten kurzsichtiger Kinder sich kaum von dem normalsichtiger Kinder unterscheidet. Allerdings ist man sich einig darüber, dass Kinder, die mehr Sport treiben, weniger kurzsichtig sind, was an größeren oder stärker wechselnden Sehentfernungen, an besserer Durchblutung oder Helligkeitswechseln auf der Netzhaut liegen könnte. An den Details wird noch geforscht.
    Nicht nur das Arbeits- und Freizeitverhalten steht im Verdacht, die Kurzsichtigkeit zu fördern, sondern auch

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