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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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funktioniert, ist ebenfalls unklar. Die Laffer-Kurve – ein wichtiges Hilfsmittel zur Wirtschaftssteuerung oder nur Voodoo-Ökonomie?
    Das Grundprinzip sei an einem einfachen Beispiel verdeutlicht. Seit Anfang der 1990er Jahre erhöhen viele europäische Länder, unter anderem Deutschland, langsam und stetig die Tabaksteuer. Bis vor kurzem hatte dies den womöglich gewünschten Effekt: Geraucht wurde trotzdem, daher stiegen die Staatseinnahmen aus der Tabaksteuer an. Als im Jahr 2003 die Bundesregierung durch eine abermalige Steuererhöhung den Preis für jede Zigarette um weitere 1,2 Cent erhöhte, sagte man Mehreinnahmen in Höhe von etwa einer Milliarde Euro voraus. Ein gutes Jahr später war klar, dass genau das Gegenteil eingetreten war. Statt mehr strömte plötzlich weniger Geld durch die Tabaksteuer in die Staatskasse, das Finanzministerium verzeichnete einen Fehlbetrag von mehreren hundert Millionen Euro. Möglicherweise stellten viele Raucher wegen der hohen Preise das Rauchen ein, denkbar aber auch, dass stattdessen auf Schmuggelware zurückgegriffen wurde. Was auch immer die Ursache war: Steuererhöhungen bewirkten paradoxerweise Einnahmeverluste.
    Für das Gesamtstaatseinkommen sind Tabakwaren jedoch nur von geringer Bedeutung, viel wichtiger sind andere Einnahmequellen, die Besteuerung von Arbeit etwa. Auch hier kann ein zu hoher Steuersatz zu weniger Staatseinnahmen führen, auch wenn die Ursachen komplexer sind als bei der Tabaksteuer. Aber was heißt in diesem Zusammenhang «zu hoch»? Wo liegt die magische Grenze? Wie viel muss der Staat vom Einkommen jedes einzelnen Bürgers einbehalten, um maximale Einnahmen zu erzielen?
    Man muss mit einfachen Betrachtungen anfangen. Wenn der Steuersatz null ist, also keinerlei Steuern erhoben werden, wird der Staat gar nichts einnehmen. Alle werden zwar glücklich und zufrieden sein, weil Bruttoeinkommen gleich Nettoeinkommen ist, aber der Staat steht in der Ecke und ist beleidigt, weil er nichts abbekommt. Dies ist der erste Punkt auf der Laffer-Kurve: Steuersatz 0 Prozent führt zu null Einnahmen. Klar ist ebenfalls, dass der Anfang der Laffer-Kurve bergauf führt: Erhöht man den Steuersatz von 0 auf zum Beispiel 2 Prozent, so sind immer noch alle zufrieden, aber die Einnahmen des Staates erhöhen sich ein wenig.
    Weiterhin ist anzunehmen, dass bei Steuersätzen von 100 Prozent – jeder Bürger zahlt sein komplettes Einkommen an den Staat – so gut wie gar keine Steuereinnahmen zu erwarten sind. Arbeiten würden vermutlich nur ein paar Idealisten und Narren, entweder weil sie nicht rechnen können oder weil es ihnen im Bergwerk so gut gefällt. Die Menschen würden es vorziehen, illegalen Tätigkeiten nachzugehen, auszuwandern, zu betteln, im Bett herumzuliegen und zu verhungern, aber geregelt arbeiten, dann Steuern zahlen (und anschließend verhungern) käme nicht infrage. Demnach sind bei einem Steuersatz von 100 Prozent die Staatseinnahmen ebenfalls null oder zumindest nicht der Rede wert. Anfangs- und Endpunkt liegen also bei null. Um beide Punkte zu verbinden, muss man nun eine Kurve zeichnen, die zunächst ansteigt, irgendwo ein Maximum erreicht, um anschließend wieder auf null zu sinken – das ist die idealisierte Laffer-Kurve. Ist der Staat klug eingerichtet, so verlangt er genau die Menge an Steuern von seinen Bürgern, die auf dem Gipfel der Laffer-Kurve zum Maximum an Einnahmen führt. Verlangt der Staat zu hohe Steuern, so verringern sich seine Einnahmen. Folglich, so Laffers Argumentation, kann man die Einnahmen erhöhen, wenn man die Steuern senkt.
    Die Grundidee hinter der Laffer-Kurve ist keineswegs neu. Laffer selbst führt sie auf den arabischen Politiker Ibn Chaldun zurück, der im 14. Jahrhundert Folgendes aufschrieb: «Es sollte bekannt sein, dass am Beginn einer Dynastie geringe Steuern großes Staatseinkommen erzielen. Am Ende einer Dynastie erhält man bei hohen Steuern nur geringe Staatseinnahmen.» Das klingt zwar klug, ist aber derart kryptisch formuliert, dass man vieles dahinter vermuten kann – ein generelles Problem mit Chalduns Schriften, die von Nachfolgegenerationen oft auf gegensätzliche Art und Weise ausgelegt wurden. Laffer jedenfalls versteht diese Worte als einen Auftrag zu Steuersenkungen.
    Der Begriff Laffer-Kurve entstand dann 1974 in der Folge eines heute beinahe legendären Treffens zwischen Laffer, zu dieser Zeit Professor an der Universität von Chicago, und Vertretern des damaligen amerikanischen

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