Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
Vom Netzwerk:
Internet Rechnungen bezahlt, werden die übermittelten Informationen, zum Beispiel Geheimzahlen oder Kreditkartennummern, verschlüsselt übertragen. Moderne Verschlüsselungstechniken müssen leider aufwendig und kompliziert sein, weil die Betrüger (und ihre Computer) im Laufe der Jahrhunderte immer klüger geworden sind. Primzahlen sind die Basis der meisten wichtigen Techniken der Kryptographie. Eine große Rolle spielt die bereits erwähnte Möglichkeit, jede Zahl als Produkt von Primzahlen zu schreiben. Die Sicherheit der Verschlüsselung beruht nun auf der Annahme, dass sich diese Zerlegung in Primfaktoren bei sehr großen Zahlen auch mit einem noch so schnellen Computer nur mit unzumutbar großem Zeitaufwand ausrechnen lässt. Wüsste man aber mehr über die Ordnung der Primzahlen, könnte sich das ändern.
    Hier kommt die Riemann-Hypothese ins Spiel. Es besteht die Gefahr, dass durch einen gelungenen Beweis neue, bestürzende Erkenntnisse über Primzahlen ans Licht kommen, die die Primzahlenzerlegung vereinfachen. Vor diesem Moment fürchten sich viele. Andere hegen Verschwörungstheorien, nach denen die Riemann-Hypothese längst bewiesen ist, aber niemand davon erfahren darf. Es geht also nicht nur um eine Million Dollar Preisgeld, die weltweite Datensicherheit steht auf dem Spiel. Abgesehen von diesen weitreichenden Konsequenzen gibt es jedoch noch eine viel wichtigere Motivation für andauernde Anstrengungen in dieser Angelegenheit. Warum wollen Mathematiker die Riemannsche Vermutung beweisen? Warum wollen Menschen den Mount Everest besteigen? In den Worten von George Mallory (der 1924 am Everest umkam): «Weil er da ist.»
    Heute glauben die meisten Mathematiker, dass die Riemannsche Vermutung zutrifft. Die ersten zehn Billionen der nichttrivialen Nullstellen der Riemannschen Zetafunktion zumindest liegen genau da, wo Riemann sie vermutete. Das beweist natürlich gar nichts; schon die nächste könnte sich nicht daran halten, denn Zahlen gibt es unendlich viele und damit deutlich mehr als Sand am Meer. Der deutsche Mathematiker Bernhard Riemann, der uns das alles hinterlassen hat, war ein introvertierter Hypochonder, der außerdem häufig wirklich krank war. Seine Arbeit «Über die Anzahlen der Primzahlen unter einer gegebenen Größe» erschien 1859 und ist überraschenderweise nur acht Seiten lang. Zum Vergleich: Einer der letzten Versuche, die Hypothese zu beweisen, veröffentlicht 2004 von Louis de Branges, umfasst immerhin 41 dicht beschriebene Seiten.
    Abgesehen von de Branges, der es in den letzten Jahrzehnten immer wieder versuchte, bisher ohne durchschlagenden Erfolg, haben sich seit 1859 die besten Mathematiker jeder Generation die Zähne an der Riemann-Hypothese ausgebissen. Lange hoffte man, dass Riemann selbst irgendwo einen Hinweis hinterlassen haben könnte. So fand man eine Notiz, die darauf hinzudeuten scheint, dass die Vermutung Riemann trotz seiner offenbar übermenschlichen Intuition nicht einfach in den Schoß fiel, sondern von etwas abgeleitet wurde, was er nicht zu publizieren wagte. Was das genau gewesen sein könnte, ist unbekannt. Mittlerweile halten viele Experten es für möglich, dass der Beweis der Riemann-Hypothese nicht aus der Mathematik kommen wird, sondern aus einem avantgardistischen Zweig der theoretischen Physik, der Quantenchaostheorie genannt wird, denn offenbar gibt es tiefgründige Verbindungen zwischen der Welt der Primzahlen und der Welt der Quanten. Wenn das funktionieren sollte, ist demnächst ein Physiker um eine Million Dollar reicher und die Welt um eine schöne, solide Rätselfrage ärmer. Man wird sich dann etwas Neues einfallen lassen müssen.

Rotation von Sternen
Astronomers never seem to want to do anything easy.
Peter B. Stetson, Astronom
    Sterne entstehen aus Klumpen in gigantischen Gas- und Staubwolken. Das Material, aus dem sie zusammengebaut werden, ist vorher, in der Wolke, über ein wesentlich größeres Volumen verteilt, die Dichte am Anfang wesentlich geringer als zum Schluss. Nun drehen sich diese Wolken, wie beinahe alles im Universum. Wenn sich etwas Rotierendes zusammenzieht, dann dreht es sich in der Folge immer schneller. Das kann man zum Beispiel bei Eiskunstläufern beobachten, die beim Pirouettendrehen die Arme an den Körper ziehen. (Wer es selbst ausprobieren möchte: Ein Drehstuhl und etwas Schwung genügen.) Junge Sterne müssten sich daher, das können Astronomen relativ leicht ausrechnen, sehr schnell drehen, in deutlich

Weitere Kostenlose Bücher