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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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schrieb Kolumnen für die «Neue Zürcher Zeitung» über seine Geruchsideen, die BBC porträtierte ihn ausführlich, und der amerikanische Wissenschaftsjournalist Chandler Burr schrieb ein ganzes Buch über Turin und seine Theorie. Im Jahr 2006 schließlich erschien Turins eigenes Buch «Das Geheimnis des Geruchs». Dabei ist die neuentdeckte Theorie keineswegs weniger widerspruchsfrei als das Schlüssel-Schloss-Prinzip. Ein Problem sind Enantiomere, Moleküle, die sich nur dadurch unterscheiden, dass sie an einer Achse gespiegelt sind, in etwa wie linke und rechte Hand. Durch eine solche Spiegelung ändern sich die Schwingungsfrequenzen nicht, die Substanzen sollten also gleich riechen. Das tun sie allerdings nicht immer, das eine Enantiomer des Moleküls Carvon zum Beispiel riecht nach Kümmel, das andere nach Minze.
    Ein wichtiger Test für jede Riechtheorie sind Experimente mit Isotopen: Man untersucht Moleküle, in denen eines oder mehrere Atome durch ein Isotop – also dasselbe Atom, nur mit einer anderen Anzahl Neutronen im Kern – ersetzt werden. Wasserstoff, das einfachste Atom, verfügt im Normalfall lediglich über ein Proton und ein Elektron. Fügt man ein Neutron hinzu, nennt man das Resultat Deuterium. Es handelt sich allerdings immer noch um Wasserstoff, weil das Neutron auf die chemischen Eigenschaften wenig Einfluss hat. Tauscht man in einem großen Molekül Wasserstoff-Atome durch Deuterium-Atome aus, ändert sich die Form der Moleküle kaum, wohl aber (weil die Deuterium-Atome schwerer sind als normaler Wasserstoff) ihre Schwingungsfrequenzen. Wenn Form das einzig Wichtige für den Geruch ist, sollten solche «deuterierten» Moleküle gleich riechen, wenn es hingegen auf die Schwingungen ankommt, sollte sich ihr Geruch verändern. Darum kann man solche deuterierten Moleküle theoretisch dazu verwenden, zwischen beiden Modellen zu unterscheiden.
    Ein paar Kakerlaken glauben, uns weismachen zu müssen, dass ihr Riechsinn eher nach dem Schwingungsmodell funktioniert: Deuteriert man Moleküle, die auf Kakerlaken aphrodisierende Wirkung haben, verändert sich die Reaktion der Tiere je nach Position des zusätzlichen Neutrons, wie im Jahr 1996 die Chemiker Barry A. Havens und Clifton E. Meloan von der University of Kansas berichteten. Zudem fanden sie einen Zusammenhang zwischen dem Schwingungsverhalten der aphrodisierenden Moleküle und der Kakerlakenaktivität, was Turin freuen dürfte. Auch einige Fische können womöglich Isotope am Geruch unterscheiden, während Fruchtfliegen so tun, als wüssten sie nichts von Neutronen. Aber kann man ihnen trauen? Riechexperimente mit Tieren sind mit zahlreichen Problemen behaftet, unter anderem, weil man die Probanden nicht so ausführlich über den Geruch von Substanzen befragen kann, wie man es gern tun würde. Für Menschen jedenfalls, so glauben heute die meisten, riechen deuterierte und undeuterierte Substanzen gleich. So ergeben Versuche, die Vosshall und ihr Kollege Andreas Keller im Jahr 2004 angestellt haben, dass Acetophone immer nach bitteren Mandeln riechen (ein häufiger Duft in Riechlabors), egal, wie viel Neutronen der enthaltene Wasserstoff besitzt, ganz wie man es erwarten würde, wenn die Form des Moleküls den Geruch bestimmt.
    Unterm Strich gilt Turins Vibrationstheorie heute weiterhin als Außenseiter. Die meisten Fachleute halten die Form der Moleküle für den Ursprung der Gerüche, wobei eingeräumt wird, dass womöglich noch andere Aspekte zusätzlich eine Rolle spielen könnten. Turin selbst gibt zu, seine Idee sei «ziemlich oberflächlich». Die entscheidende Frage für alle Modelle ist, wie gut sie Gerüche von bestimmten Molekülen vorhersagen können – bevor irgendjemand seine Nase daran hält. Wünschenswert wäre also ein großer Geruchswettstreit, bei dem Vertreter verschiedener Lager Gerüche vorhersagen und anschließend mit der Wirklichkeit verglichen wird. Wer die meisten Treffer hat, gewinnt.

Riemann-Hypothese
Wenn ich nach einem tausendjährigen Schlaf aufwachen würde, wäre meine erste Frage: «Wurde die Riemann-Hypothese bewiesen?»
David Hilbert
    Um die vorletzte Jahrhundertwende herum stellte der bereits damals berühmte Göttinger Mathematiker David Hilbert eine Liste der 23 wichtigsten ungelösten mathematischen Probleme zusammen. Auf Platz acht der (ungeordneten) Liste: «Primzahlverteilung und die Riemannsche Vermutung». Hundert Jahre später unternahm das amerikanische Clay-Institut einen ähnlichen Versuch

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