Liberator
Eingeborenen Aufstände gegen die Kolonialherren. Sie drängten sie soweit zurück, dass sie am Ende nur noch vereinzelte Posten am Meer halten konnten. Hätte nicht das Zeitalter des Imperialismus mit seinen Juggernauts Einzug gehalten, wären die Kolonien wohl vollständig verloren gegangen. Nach Ende des Fünfzigjährigen Kriegs lag Europa in Schutt und Asche, die Agrarproduktion war erheblich geschrumpft und weite Landstriche waren unbewohnbar geworden. Da bauten die überlebenden Nationen ihre Juggernauts und schickten sie rund um den Globus. Und so wurden die Überreste der Kolonien zu Kohlestationen umfunktioniert, an denen die Juggernauts sich mit neuem Brennstoff versorgen konnten. Und nicht nur Brennstoff gab es auf den Kohlestationen, dort wurden die Juggernauts auch gewartet und repariert.«
»Und was hat es mit dieser Kohlestation auf sich?«, fragte Riff. »Mit Botany Bay?«
»Sie hieß ursprünglich Neu Süd-Wales. Es handelt sich hierbei um die letzte britische Kolonie, die vor der Französischen Revolution gegründet wurde«, antwortete Col. »Es war in erster Linie eine Sträflingskolonie. Selbst nach der Französischen Revolution schickte Großbritannien weiterhin Sträflinge hierher, tatsächlich bis zu der Zeit, als Napoleon den Tunnel unter den Ärmelkanal graben ließ. Die Soldaten und Kolonialherren machten aus den Sträflingen Zwangsarbeiter.«
»Also dieselbe Geschichte wie bei uns«, sagte Dunga. »Wie bei den Dreckigen.«
»Gibt’s noch was, das wir wissen müssen?«, fragte Riff.
Col dachte nach. »Seit anderthalb Jahrhunderten haben sie eine eigene Regierung, aber sie betrachten sich selbst nach wie vor als loyale Untertanen des Britischen Empire. Und anders als die meisten anderen Kohlestationen haben sie ihre eigenen Kohlengruben ganz in der Nähe.«
»Ich kann die Kohlen sehen«, rief Gansy plötzlich, die noch immer durch die gewölbten Fenster nach draußen sah.
»Kuckt mal!« Gansy zeigte nach vorne.
Col drehte sich um und stellte fest, dass der Liberator bereits die Landzunge erreicht hatte. Der Juggernaut war jetzt fast ganz aus dem Wasser aufgetaucht.
Die Bucht war ein labyrinthisches Durcheinander von Schlamm und Pfützen und Kanälen; das Land war anscheinend wieder und wieder durchgeknetet worden, bis es die Konsistenz von Porridge angenommen hatte. Überall standen riesige Kohlepyramiden, ähnlich wie die auf dem Orlopdeck, nur dass diese hier vielleicht hundertmal größer waren. Die Kohle hatte ihre Spuren hinterlassen und sowohl das Land als auch das Wasser schwarz gefärbt. Ein durch und durch trostloser Anblick.
Gansy rief den Dreckigen, die die Maschinen bedienten, ihre Befehle zu: »Geschwindigkeit drosseln. Ein Knoten. Fahrt voraus!«
Die Metallgerüste, die sich an der Küste entlangzogen, waren fast so hoch wie der Liberator selbst und sahen aus wie Spinnennetze auf turmhohen spindeldürren Beinen.
»Irgendwelche anderen Juggernauts?«, fragte Riff, die vor dem Podest stand und deshalb nichts sehen konnte.
»Keine«, antwortete Gansy.
Nach und nach wurden zwei breite Schotterpisten sichtbar, und der Bug des Juggernaut näherte sich diesen Hellingen.
Riff klatschte in die Hände. »Zeit für die königliche Gesellschaft aufzubrechen. Los geht’s!«
Riff, Lye und Dunga drehten sich gleichzeitig um und machten sich auf den Weg. Col sprang vom Podest, während Albert seine Frau unter den Arm fasste und ihr hinunterhalf. »Nicht so schnell«, rief er den anderen hinterher.
Sie stiegen auf Deck 51 hinab, vorbei an der ehemaligen Exekutivkammer, auf dem Weg zu einem Dampffahrstuhl. Der Fahrstuhl brachte sie zwanzig weitere Decks nach unten zum Fertigungsbereich des Juggernaut. Die Werkstätten summten vor Geschäftigkeit, überall wurde geklopft und gehämmert und gesägt, Funken und Sägespäne flogen durch die Gegend.
»Los, beeilt euch«, rief Riff ihnen zu, als sie sich nach ihnen umsah, »wir sind da.«
Genau in dem Moment waren die Walzen zum Stillstand gekommen, nur das Surren der Turbinen war noch zu vernehmen. Der Liberator hatte sein Ziel erreicht.
Riff näherte sich einem der vorderen Kräne bei den Sortierwannen. Bevor sie nach draußen trat, blieb sie stehen und wartete auf die Nachzügler. »Hier beginnt das Schauspiel«, sagte sie zu Victoria und Albert, die sich ihre Kronen nur widerwillig aufsetzen ließen.
»So, jetzt geht ihr voran«, befahl Riff.
Also gingen Victoria, Albert und Col voran, während die drei Ratsmitglieder ihnen
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