Liberator
Befreiung einen besonderen Status und genoss große Beliebtheit.
»In Ordnung, nicht bewaffnet«, stimmte Shiv zu.
»Gut. Dann ist das auch geregelt.« Riff hatte wieder das Heft in der Hand. »Jetzt müssen wir uns erstmal um die Beerdigung von Zeb kümmern.«
»Da is noch eine Sache, die vorgeht«, wandte Shiv ein.
»Was?«
»Wir müssen ein neues Ratsmitglied wählen.«
»Wieso jetzt? Was soll die Eile?« Riff zeigte auf Zebs Körper. »Wo bleibt dein Respekt, Shiv?«
Shiv schüttelte den Kopf. »Es geht nich um Respekt. Der Saboteur bedroht uns, und wir müssen ihm zeigen, dass wir uns nicht bedrohen lassen! Der Rat wird mit seiner Arbeit weitermachen, egal, wie viele Morde es geben sollte. Wir müssen zeigen, dass wir uns nicht einschüchtern lassen!«
Das leuchtet mir ein, dachte Col. Und so ging es Riff auch.
Ihr Ärger war verflogen.
»Wir brauchen aber ’ne demokratische Abstimmung«, sagte Dunga.
»Dafür sind genug Leute hier,« sagte Shiv und deutete auf die Menge im Saal.
»Aber über wen sollen wir denn abstimmen?«, mischte sich Padder ein.
Shiv drehte sich zu der Menge. »Hiermit nominiere ich Lye. Die Person, die Unten das Kommando hat, sollte Mitglied des Rates sein.«
Col sah Riffs finsteren Blick. Sie hatte keine Zeit, einen eigenen Kandidaten zu nominieren. Er wusste genau, was ihr jetzt durch den Kopf ging. Lye würde stets Shivs Vorschläge im Rat unterstützen, und damit war das Gleichgewicht im Rat zu seinem Vorteil gekippt. Col wäre Riff zu gern zur Hilfe gekommen, aber das war unmöglich. Hätte er sie unterstützt, hätten die Dreckigen aus Prinzip dagegengehalten. Er selbst mochte Shiv nicht, und dafür, dass er Riff jetzt überrumpelt hatte, hasste er ihn.
Shiv lächelte, der Sieg war ihm gewiss. Spöttisch drehte er sich zu Gillabeth: »Noch jemand? Möchtest du dich vielleicht selbst nominieren?«
Buhrufe und lautes Zischen ertönten. Gillabeth stand wie ein Fels in der Brandung, während der Aufruhr über sie hinwegfegte.
»Also keine weiteren Vorschläge.« Shiv wandte sich an Riff. »Es geht um einfaches Ja oder Nein. Willst du die Wahlleitung übernehmen?«
Riff ließ sich nichts anmerken, aber Col spürte ihre innere Wut genau. Sie wandte sich an die Menge. »Alle, die Lye als neues Ratsmitglied haben wollen, hebt jetzt eure Hände!«
Eine Masse an Händen schoss in die Höhe.
»Alle, die dagegen sind.« Nicht eine einzige Hand war zu sehen. Lye neigte ihren Kopf zur Bestätigung. Ihr Gesicht mit der perfekten Nase, den scharfen Wangenknochen, den gewölbten Augenbrauen und markant geschwungenen Lippen strahlte eine fast unnatürliche Ruhe und entschlossene Ernsthaftigkeit aus.
Riff drehte sich zu ihr und hielt ihr die Hand hin. »Ich begrüße dich als unser neues Ratsmitglied.«
Lye schüttelte Riffs Hand. »Ich würde mein Leben für unsere Revolution geben!«, sagte sie.
»Zeb hat sein Leben dafür gegeben«, fügte Shiv hinzu und zeigte auf den leblosen Körper auf der Trage zu seinen Füßen. »Denkt an Zebs Blut!« Shivs Aufgeregtheit stand in völligem Kontrast zu Lyes Beherrschtheit. Er riss die Arme in die Höhe und schrie: »Denkt an Zebs Blut! Denkt an seinen Tod! Denkt an den, der ihn umgebracht hat! Verteidigt die Befreiung! Kämpft gegen die Tyrannei!«
Viele in der Menge nickten, aber bevor sich die Stimmung weiter aufheizen konnte, fiel Riff ihm ins Wort. »Genug! Wir haben unser neues Ratsmitglied, und jetzt ist es Zeit, um Zeb zu trauern.«
»Wir dürfen nie vergessen!«, murmelte Shiv und ließ seine Arme fallen.
»Und ich will mir den Tatort ansehen«, sagte Gansy.
»Ich auch«, rief Dunga, und Padder und Riff nickten dazu.
»Erst sollte der Rat sich um Zebs Beerdigung kümmern«, sagte Riff. »Können wir die Versammlung schließen?«
Keiner sagte etwas dagegen. Also erklärte Riff die Sitzung für geschlossen. Allerdings verließ niemand den Saal. Die Dreckigen begannen sich leise miteinander zu unterhalten, während die Ratsmitglieder, jetzt mit Lye, die Einzelheiten der Beerdigung besprachen. Auch Col blieb, tief in Gedanken versunken. Riff hatte gerade eine politische Niederlage erlitten, zusätzlich zu dem emotionalen Schlag, den Zebs Tod bedeutete. Sie könnte jetzt sicher jemanden gebrauchen, der sie verstünde und an den sie sich ein wenig anlehnen könnte. Sie zeigte sich zwar nicht mehr gern mit ihm in der Öffentlichkeit, aber sie konnten ja eines ihrer geheimen Treffen vereinbaren. Ihre Sorgen mit ihr zu teilen, war
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