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Liberty 9 - Todeszone

Liberty 9 - Todeszone

Titel: Liberty 9 - Todeszone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schröder
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einer Kordel zuziehen würde, damit sie ihnen weder gewollt noch zufällig hochrutschen konnten, hatte Diego zu erwähnen vergessen. Ebenso dass deshalb auch der dicke Wollstoff fast so eng wie ein Knebel über Mund und Nase lag und das Atmen stark beeinträchtigte.
    Kendira fühlte sich unter der Kapuze wie ein zum Tode Verurteilter, der blind und von einem Wärter geführt den Weg zu seiner Hinrichtung antrat.
    Sie versuchte, sich trotz ihrer reduzierten Wahrnehmungsfähigkeit den Weg einzuprägen, den Diego, Hector, Juan und zwei ihrer Kameraden mit ihnen nahmen. Dass es gleich zu Anfang zweimal Treppen hinunterging, war nicht schwer im Kopf zu behalten, wie auch nicht die Zahl der Stufen. Es waren insgesamt vierunddreißig, und das sagte ihr, dass sie sich– mal wieder!– unter der Erde befanden.
    Aber den Gerüchen nach, die ihr dann und wann in die Nase drangen, bewegten sie sich durch Kellergänge und Räume, in denen Feuerholz, Kartoffeln, Obst und andere Nahrungsmittel kühl aufbewahrt wurden. Dass es sich um gewöhnliche Kellerräume von Wohnhäusern und nicht um Gleistunnel oder andere unterirdische Gänge handelte, erkannte sie auch daran, dass es keine langen geraden Strecken gab, sie ständig an einen rechtwinkligen Knick kamen und es immer mal wieder einige Stufen hinauf oder hinunter ging.
    Kendira schätzte, dass sie etwa zehn Minuten lang durch derartige Kellerräume geführt wurden. Dann aber veränderten sich plötzlich nicht nur die Gerüche um sie herum, sondern auch der Klang ihrer Stiefel auf dem Boden.
    Dem deutlichen Hall ihrer Schritte nach zu urteilen, mussten sie sich nun in einem System aus wesentlich breiteren und höheren Gängen befinden. Hier roch es nicht mehr nach Lebensmitteln, Feuerholz oder anderen Haushaltsdingen, sondern nur schwach nach Öl, Farbe und feuchtem Beton. Auch erfolgten nicht mehr ständig rechtwinklige Richtungsänderungen nach kurzen Strecken. Von den drei Gängen, durch die sie jetzt kamen, war der längste zweiundsiebzig Schritte lang. Und im kürzesten Korridor zählte sie immer noch zweiundvierzig Schritte.
    Am Ende des dritten Gangs ging es endlich wieder nach oben. Sie stiegen mehrere Treppen hinauf und passierten dabei drei Türen, die ihrem Klang beim Zufallen nach dick und aus Eisen sein mussten.
    Plötzlich hatte Kendira das Gefühl, sich in offenem Gelände zu befinden. Entfernte Männerstimmen, die sich etwas zuriefen, drangen zusammen mit den typischen, metallischen Geräuschen einer betriebsamen Werkstatt an ihr Ohr. Auch hörte sie einen Motor tuckern und merkwürdig blubbern, als läge er unter Wasser. Doch das Motorengeräusch erstarb gleich wieder.
    Noch einmal ging es eine Eisentreppe hinauf. Achtundzwanzig Stufen aus Gitterrosten. Oben führte man sie noch fünf Schritte über einen Laufsteg, dann öffnete Diego eine Tür zu ihrer Linken und meldete: » Hier sind sie, Major, die Morituri aus dem Helikopterwrack! «
    » Danke, Diego « , antwortete ihm eine kräftige, energische Stimme. » Nehmt ihnen die Kapuzen ab und lasst mich dann mit ihnen allein. «
    » Jawohl, Major. «
    Die Kordelschlaufe unter ihrem Kinn wurde aufgezogen und die schwarze Wollkapuze von ihrem Kopf gezogen.
    » Diese Tortur mit dem elenden Wolllappen über dem Gesicht hättet ihr uns wirklich ersparen können! « , brummte Zeno mit einer Mischung aus Erleichterung und Groll. » Als ob wir nicht denselben Todfeind hätten! «
    Auch Kendira atmete befreit auf, fuhr sich über das verschwitzte Gesicht, blinzelte in das kalte, harte Licht von zwei nackten Neonröhren, die unter der Decke hingen– und blickte überrascht auf ein Meer von Büchern, Packen von Magazinen und Zeitungen und Kassetten mit digitalen Datenträgern. Sie füllten die Regale einer gut zehn Meter langen und fünf Meter hohen Bücherwand aus Brettern und Ziegelsteinen, die vom Boden bis zur Decke reichte.
    Vor der Bücherwand stand ein alter antiker Schreibtisch mit verkratzten Messingbeschlägen an den Kanten. Auf der Tischplatte stapelten sich Papiere, jedoch nicht in einem wüsten Durcheinander, sondern wohlgeordnet und geradezu akkurat zueinander ausgerichtet.
    Major Garcia Marquez, der gerade ein dickes Buch ins Regal zurückgestellt hatte, zeigte ihnen sein linkes Profil. Es war das eines gut aussehenden Mannes Ende vierzig von kräftiger, breitschultriger Gestalt mit markanten Zügen und dichtem schwarzem Haar, das er militärisch kurz trug. Hose und kurzärmeliges Hemd bestanden aus

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