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Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
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gewesen, um Flavio zu besuchen. Er erzählte ihnen an diesen Nachmittagen von seiner Zeit in Vietnam.
    »Es ist gerade erst halb fünf«, murmelte Dara gähnend. »Wollt ihr den guten, alten Flavio wirklich schon um die Zeit aus dem Bett schmeißen? – Schlimm genug, dass ihr mich so früh geweckt habt.«
    Sie hatten alle zusammen bei Salvador übernachtet, bis auf Jaden, der kurz nach Mitternacht nach Hause gegangen war. Die Sorge um seinen Cousin und die Sache mit dem vollgebluteten Wagen seines Vaters lagen ihm auf der Seele.
    »Lasst ihn ziehen, er ist sowieso ein Mistkerl«, sagte Mose trocken. »Keine Ahnung, warum wir uns seit Jahr und Tag mit ihm abgeben.«
    »Hast du eine bessere Idee?«, fragte Ronan jetzt, als sie vor Flavios Haus standen, eine Spur gereizt. Sie hatten kaum geschlafen und irgendwann war der Plan gereift, ebenfalls noch einmal in dieses Waldstück am Ende der Welt zu fahren, um nach Ernesto zu suchen. Denn dass er immer noch nicht zurück war, stand fest: Mobiltelefon aus, der rote Beetle nicht vor der Villa seiner Eltern.
    »Und wenn wir doch Baz um Rat gefragt hätten?« Darayavahush fuhr sich durch die kurzen schwarzen Haare. »Nicht, dass Flavio einen Schlaganfall oder so was vor Schreck kriegt, wenn wir gleich alle seine Bude stürmen…«
    Salvador machte ebenfalls ein unschlüssiges Gesicht. Aber sie hatten schließlich nicht mehr viel Zeit. In spätestens einer Stunde würde Cal anfangen zu quatschen, da waren sie sich einig.
    In diesem Moment zuckten sie alle zusammen, denn mit einem Knall wurde eines der schmutzigen Erdgeschossfenster von Flavios Haus hochgeschoben.
    »Was, zum Donnerwetter, wollt ihr denn um diese Zeit hier, he? Steckt in Schwierigkeiten oder was? Habt ihr euch mit ein paar Cops angelegt, die auf Nachtstreife waren? – Aha, nicht vollzählig! Dachte ich es mir doch gleich… Wo stecken die Kummerknaben Ernesto und Jaden? Im Kittchen? Zur Ausnüchterung?«, polterte der alte Flavio hellwach und streckte seinen zerfurchten Kopf argwöhnisch aus dem halb geöffneten Fenster.
    »Tja, also …«, begann Salvador, der meistens für sie alle sprach, wenn es um etwas Wichtiges ging.
    Flavio hörte Salvadors Bericht mit unergründlicher Miene zu. Er bat die Jungen nicht ins Haus, aber noch während Salva sprach, verschwand er vom Fenster in das Innere des Zimmers, offenbar, um sich anzuziehen und seine Beinprothese anzuschnallen.
    »Ein echtes Piratenholzbein«, hatte Ronan einmal kopfschüttelnd gesagt. »Dabei hatte er mal eine Menge Kohle, das weiß ich.«
    Ronans Vater war Inhaber und Geschäftsführer einer großen Bank in Old Town.
    »Er hätte sich locker ein richtiges Hightech-Bein leisten können. Mit allen Schikanen. Aber er wollte nicht. Hat sein Geld anderweitig verschleudert… Wahrscheinlich in Spirituosen, sagt mein Dad.«
    »Okay, Jungs, los geht’s.« Flavio humpelte aus dem schmuddeligen Haus. In seinem Gesicht lag ein eigenartiger Ausdruck.
    »Sie kommen mit raus?«, erkundigte sich Salvador erleichtert.
    Der alte Flavio nickte. »Muss ja wohl einer nach dem… Rechten sehen«, sagte er und mied ihre Blicke. »Ein – Waldmädchen – und ganz alleine… Nun…«
    Sie gingen zu Ronans Wagen und stiegen ein. Erst am Chinook Drive sprach Flavio wieder. Vorher hatte er nur schlicht und stur und grüblerisch geradeaus in die oregontypische Morgendämmerung geschaut. »Wie alt, sagtest du, ist… dieses Mädchen?«, erkundigte er sich.
    Darayavahush verteilte gerade eine großzügige Ladung Deospray unter seinen Armen, während Salva mit den Schultern zuckte. »Ich – ich habe gar nichts über ihr Alter gesagt.«
    »Noch ein Kind? Nein, eher schon… eine junge Dame, was?«
    Flavio hatte so eine altmodische Art zu sprechen, über die sie oft lachten.
    »Äh, also …«, sagte Salvador unschlüssig.
    Darayavahush grinste. »Sie hat jedenfalls schon… Brüste«, sagte er. »Falls Ihnen das weiterhilft. – Und sogenanntes Schamhaar. Das habe ich genau gesehen. Neandertalermäßig. Erotisch, wenn Sie mich fragen.«
    Der alte Flavio nickte nur und schaute wieder aus dem Fenster in die Ferne. Darayavahush warf den anderen einen Blick zu und drehte verstohlen seinen Zeigefinger neben seiner rechten Schläfe.
    Sie erreichten das Waldstück, als die Sonne gerade aufging. Instinktiv machte es Ronan, wie Ernesto es am Tag zuvor auch gemacht hatte. »Ich fahr noch ein bisschen tiefer rein, in Ordnung?«, sagte er. »Dann müssen wir nicht so weit laufen.« Die

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