Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Rosen
Vom Netzwerk:
Sommer und nach erkämpfter Freiheit rochen, und schob ihr – endlich – wie in seinem Traum, eine Haarsträhne aus der Stirn. Fest presste er anschließend seine eigene Stirn gegen ihre und hielt sie in seinen Armen.
    »Ich… ich habe Angst, dir wehzutun«, flüsterte er.
    »Das brauchst du nicht«, sagte Liberty Bell.
    Hinterher, nachdem sie miteinander geschlafen und zusammen gegessen hatten und Ernesto seine Gitarre aus dem Wagen geholt und das Lied von der alten Eiche für Liberty Bell gespielt hatte, immer wieder, standen sie nebeneinander oben auf dem Cedar Hill und schauten über die Landschaft, während ihre Sachen und Haare im Wind flatterten.
    »Hey, du bist das Beste, was mir je passiert ist«, sagte Ernesto leise und nahm Liberty Bells Hand in seine.
    Wieder schwiegen sie lange.
    »Wie heißt das, was wir gemacht haben, Ernesto? Hat es einen Namen?«, fragte Liberty Bell irgendwann und sah ihn aus allernächster Nähe an. Noch nie hatte er so große blaue – so offene Augen gesehen.
    Ernesto nickte und war auf einmal fast etwas verlegen, warum auch immer. Wahnsinn, diese Frage.
    »Man nennt es Liebe machen. Oder auch Sex. – Oder miteinander schlafen …«, erklärte er leise und legte seine Hände an ihre Wangen.
    Wieder blickte Liberty Bell direkt in seine Augen, aus allernächster Nähe. Im Blau ihrer Iris waren ein paar sternförmige gelbliche Flecken. Vage hatte er das Gefühl, schon mal ähnliche Augen gesehen zu haben, aber er konnte sich nicht erinnern, wo das gewesen sein könnte.
    »Aber… wir haben nicht geschlafen«, sagte Liberty Bell in diesem Moment lächelnd.
    »Nein, das haben wir wirklich nicht«, stimmte Ernesto zu und lächelte ebenfalls. »Im Gegenteil. So wach wie eben war ich überhaupt noch nie in meinem Leben…«
    »Der Song, Liberty Bell, über die Eiche mit den gelben Schleifen. Er ist schön. Ich kannte ihn früher nicht, hatte ihn noch nie gehört…«
    Liberty Bell lehnte ihren Kopf gegen Ernestos Schulter. Sie waren immer noch am Cedar Creek und verspürten beide nicht den Wunsch zurückzufahren.
    »Es ist mein Lieblingslied. Meine Mutter …«, sie seufzte leise, »… hat es oft für mich gesungen. Sie sang auch andere Lieder. Morning has broken und Here comes the sun und Colours und California Dreaming und noch viele andere. Aber das Lied von dem Baum mit den vielen gelben Schleifen mochte ich immer am liebsten. Ich stellte ihn mir vor, den Mann, der seine Liebste verlassen hat, um ins Gefängnis der Schattenwelt zu gehen. Und der dann – Jahre später – einen Brief an sie schreibt, in dem er ihr berichtet, dass er nun endlich entlassen wird, aber nicht wisse, ob sie ihn noch liebe und zurückhaben wolle …«
    Ernesto malte mit dem Zeigefinger unsichtbare Blumen in Liberty Bells Gesicht. »… ja und dann bittet er sie, eine gelbe Schleife in die Eiche zu binden, an der er mit dem Bus vorüberkommt, zum Zeichen, dass er austeigen soll, weil sie ihn immer noch liebt …«, zitierte er dabei lächelnd und zwinkerte Liberty Bell zu, die ernsthaft nickte.
    »Ja. Denn sonst würde er gar nicht aussteigen. Sondern fortfahren und niemals zurückkehren.«
    »Aber als er dann kommt, sieht er, dass im Baum nicht nur eine, sondern hundert gelbe Schleifen für ihn hängen…«
    Ernesto konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Okay, Kitsch pur und eigentlich zum Davonlaufen, aber irgendwie hat es was. Seit ich dich kenne, hat es was…«
    »Kitsch?«, wiederholte Liberty Bell verwirrt. »Was ist Kitsch?«
    Da schlang Ernesto seine Arme um sie. »Kitsch, Internet, American Idol, Andy Warhol, Casablanca, Windsurfen, Schlittschuhlaufen am Rockefeller Center in New York… – Hey Liberty Bell, das machen wir alles zusammen, okay?«
    »Ja, das klingt gut«, antwortete sie leise. »Was auch immer das alles ist…«

15
    I ch fasse mal zusammen«, sagte Darayavahush. Sie waren bei Salvador zu Hause. Es war ein wahnsinnig heißer Nachmittag, Dara lag lang ausgestreckt auf Salvadors breitem Futonbett, die anderen saßen hier und dort herum. Portia und Sally waren ebenfalls gekommen. Salvas altersschwacher Ventilator lief scheppernd auf Höchsttouren. Sie konnten an diesem Tag nicht in den Garten hinunter, weil Baz dort einen Tai-Chi-Kurs für Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten gab.
    »Sie lassen dich also – erstens – wegen eures verbotenen Ausflugs zum Cedar Creek nicht mehr in Miss Walds Nähe –, zweitens soll sie so bald wie möglich in ein Heim für Irre und

Weitere Kostenlose Bücher