Liberty Bell: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)
Franklins gerahmtem Bild und ihrer Tradition, jedes Jahr mit ihren Schülern eine Kerze für das verschwundene Mädchen anzuzünden.
»Du meinst, Jadens Mutter war die Lehrerin von – ihr … von Ruby, meine ich?« Liberty Bell sah ruckartig hoch, während sie das fragte. Ernesto nickte und deutete gleichzeitig auf die ausgebreiteten Lebensmittel. »Willst du was?«, fragte er.
Liberty Bell nahm sich vorsichtig einen der Möhrensticks, biss aber nicht hinein.
»Und sie verschwand mit vierzehn Jahren?«, fragte sie leise.
Wieder nickte Ernesto.
»Wie können die Ärzte dann wissen, dass sie… meine – Mutter ist?«
Liberty Bell machte ein ratloses, ablehnendes Gesicht.
Gerade, als Ernesto ansetzen wollte, ihr etwas über Vererbungslehre und DNA-Gesetze zu erklären, vibrierte sein Telefon. Er konnte sich denken, wer der Anrufer war, und warf einen prüfenden Blick auf das Display. Er hatte sich nicht geirrt.
»Dr. Bolino«, informierte er Liberty Bell seufzend und nahm das Gespräch an. Was blieb ihm anderes übrig? Sie würden nicht lockerlassen, ehe er sich ihnen stellte, so viel stand fest.
»Ist Liberty Bell bei dir, Ernesto?«, fragte die Ärztin denn auch sofort ohne Umschweife.
»Ja. Ist sie«, antwortete Ernesto knapp.
Es folgte das zu erwarten gewesene Szenario. So geht das nicht. Unverantwortlich. Mangelnder Versicherungsschutz. Regresspflichtig. Der ganze Wahnsinn.
»Bei allem Verständnis, ihr müsst sofort zurückkommen, Ernesto. Das Mädchen ist noch nicht e ntlassen…«
»Und dann?«, fuhr Ernesto auf. »Dann verfrachtet ihr sie nach Village in ein… Heim, oder was?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schaltete er sein Telefon aus und schleuderte es weit von sich in die Wiese.
Liberty Bell schaute ihn stumm an.
Und dann brauchte es keine Worte mehr. Kein einziges. Liberty Bells Lippen berührten Ernestos Wange, dann suchte sie seinen Mund und küsste ihn voller Zärtlichkeit.
Ernesto legte seine Arme um sie. Sie hatte warme, feste Lippen und Ernesto wollte nie mehr aufhören, sie zu küssen. Wusste sie, was sie tat, als sie beide sich ins hohe Gras fallen ließen? Sie hatte niemals mit jemandem außer Annie Lyford gesprochen. Und Annie hatte die Welt gehasst. Oder sich vor ihr gefürchtet. Oder beides.
Sie kannte so vieles nicht.
Ihre Leidenschaft jedoch und seine Verwunderung darüber würde Ernesto niemals vergessen – nie, so lange er lebte!
Libellen tanzten über den Himmel, sammelten sich am Bach, stoben wieder auseinander und nahmen den Himmel erneut ein.
Liberty Bells Hände glitten immer wieder über sein Gesicht, fuhren dann durch seine Haare, streichelten seinen Hals und seinen Nacken.
Durfte er das tun? Durfte er? In seinem Kopf drehte sich alles.
Er atmete schnell und auch Liberty Bells warmer Atem beschleunigte sich. Er spürte ihn in seinem heißen Gesicht und seine Hände fuhren zögernd unter das helle Kleid, das er erst heute früh für sie gekauft hatte. Sie trug keinen BH darunter, das war ihm schon aufgefallen, als sie aus dem Badezimmer ihres Klinikzimmers getreten war. Dabei hatte Essence, die jüngere der beiden Sozialarbeiterinnen, ihr in der Zwischenzeit drei Büstenhalter vorbeigebracht, aber Liberty Bell hatte sie nicht angezogen. Ernestos zitternde Finger fuhren über ihre kleinen, festen Brüste und streichelten gleich darauf über ihren dünnen, glatten samtweichen Bauch.
Wie konnte sie von den Kyriacous abstammen? Das war doch ganz und gar unmöglich. Die Ärzte, die diese DNA-Analyse vorgenommen hatten, mussten sich irren. Wer wusste schon, was es mit diesem uralten Stofftierelefanten auf sich hatte.
Liberty Bell drängte sich immer näher an ihn, immer intensiver.
»Willst du – willst du das wirklich?«, fragte er mit leiser, rauer Stimme, aber sie gab keine Antwort. Wusste sie überhaupt, was er da fragte? Worum es ging? Alles passierte ganz von alleine. Und Liberty Bell war nicht nervös und fahrig, wie Sally und er es im vergangenen Jahr gewesen waren, als sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Nein, Liberty Bell war so – so offen wie der Himmel. Sie umarmte ihn fest und öffnete sich ihm ohne Angst. Für einen Moment erinnerte er sich an ihre Worte Ich bin immer mutig… Ja, das war sie. In der Tat.
»He, du Blumenkind«, flüsterte Ernesto überrumpelt, aber stopp – sie war in Wirklichkeit kein Kind mehr. Sie war fast erwachsen, genau wie er. Mit bebenden Händen streichelte er ihre hellen Haare, die nach ihr und nach
Weitere Kostenlose Bücher