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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Rock, eng, wadenlang, mit kurzer Schrittfalte hinten, schmaler goldener Gürtel und dazu transparente Polyurethansandalen mit Blockabsatz. Sie sah gut aus, und das wusste sie. Sie pochierte einen Seebarsch mit wildem Zitronengras, eine Küche, die sie in den Enklaven des mittleren Managements von Motel Splendido gelernt hatte, und erzählte ihm – bei einem Dessert aus frischen Sommerbeeren, eingetaucht in Grappa – von sich. Ihre Geschichte sei denkbar einfach, meinte sie. Es sei eine Erfolgsstory. In der Schule hatte sie sich im Synchronschwimmen hervorgetan. Ihre Position in der Firma verdankte sie ihrem ausgesprochenen Geschick im Umgang mit anderen. Ihre Herkunft hatte sie nie als belastend empfunden, sie war nie eifersüchtig auf ihre Schwester-Mutter gewesen. Ihr Leben gelinge, vertraute sie ihm an, und außerdem habe es eben erst begonnen.
    Sie fragte ihn, ob er die White Cat fliegen könne.
    Die Frage schien an ihm vorbeizugehen. Er kratzte sich die Stoppeln unter der Kinnlade.
    »Was für ein Leben, Kleines?«, sagte er unbestimmt.
    Einen Meter voneinander entfernt, sahen sie aus, als hätte man sie in verschiedenen Räumen aufgenommen. »Hier ist mein Reich«, ließ sie ihn am Tag darauf wissen: »Und da ist deins.«
    Ihre Hälfte des Menschenquartiers ließ sie sich von den Schattenoperatoren so umgestalten, dass es wie eine Frühstücksbar oder eine Imbissstube aus der fernen Erdvergangenheit aussah, mit sauberem Schachbrettboden und antiken Milchmixgetränkemaschinen, die freilich kein Innenleben hatten. Billy Anker ließ seine Hälfte so wie sie war und saß jeden Morgen splitternackt am Boden – ohne Militärklamotten nur mehr ein dürres Gestell mittleren Alters – und absolvierte die Übungen einer komplizierten Satori-Routine. (* Satori = Erleuchtung (Zen-Buddhismus).) Mona sah sich in ihrem Bereich Holos an.
    Billy verbrachte die meiste Zeit des Tages damit, Löcher in die Welt zu starren und zu furzen. Furzte er zu laut, kam sie in die Kommunikationsöffnung zwischen den Bereichen und sagte: »Jesus!« Wobei sie so viel Abscheu in ihre Stimme legte, als wolle sie ihn der Aufmerksamkeit einer dritten Partei empfehlen.
    Seria Maú verfolgte diesen alltäglichen Wahnsinn mit einer Mischung aus Amüsiertheit und Toleranz. Es war, als hätte sie Haustiere. Die skurrilen Verhaltensweisen der beiden erwiesen sich als probates Mittel gegen Melancholie, schlechte Laune und Koller, dann vor allem, wenn die Apotheke der White Cat mit ihrem Latein am Ende war. Neues erwartete sie nicht von Mona und Billy.
    Umso überraschter war sie, die beiden vier oder fünf Tage nach Redline in Monas Schlafzimmer zu erwischen.
     
    Die Beleuchtung imitierte Nachmittagssonne, die durch fast geschlossene Rouleaus sickerte, und zwar irgendwo in den gemäßigten Zonen der Erde. Es herrschte Happy-Hour-Atmosphäre. Am Bett stand ein Gefäß mit Rosenwasser, in das Billy Anker, wenn er merkte, er würde zu früh kommen, die Finger tauchen konnte. Mona trug einen kurzen grauen Seidenunterrock, der sich in der Taille sammelte und hatte ein Unmenge Lippenrot aufgelegt, damit es so aussah, als habe sie sich blutig gebissen. Sie umklammerte mit beiden Händen das verchromte Kopfende des Bettes. Der Mund war offen, und durch das Gitter gesehen hatten ihre Augen einen verträumten Blick. Eine Brust hatte sich aus dem Unterrock befreit.
    »Ah ja, fick mich, Billy Anker«, sagte sie plötzlich.
    Billy Anker, über sie gekrümmt wie die Personalunion aus Beschützer und Raubtier, wirkte jünger als bisher. Seine Unterarme waren lang und braun, das gelbe Licht meißelte Adern und Muskeln. Das aufgelöste Haar baumelte rechts und links von seinem Gesicht; nach wie vor trug er den fingerlosen Handschuh. »Oh, fick mich durch die Wand«, sagte Mona. Er hielt inne, dann zuckte er die Achseln, verlor seinen nach innen gewandten Blick und fuhr fort, womit er schon die ganze Zeit zugange war. Mona lief pink-rosa an und gab einen aufgeregten, zarten kleinen Schrei von sich. Den Tropfen, der Billys Fass zum Überlaufen brachte. Nach einer Reihe von Spasmen stöhnte er laut und sackte auf Mona hinunter. Sie glitten augenblicklich auseinander und lachten. Mona zündete sich eine Zigarette an und ließ zu, dass er sie ihr ohne zu fragen aus dem Mund nahm. Er setzte sich gegen das Kopfende, einen Arm um Mona. Sie rauchten eine Zeit lang, dann sah sich Billy Anker nach etwas Trinkbarem um. Schließlich löschte er seinen Durst mit

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