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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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denen zufolge der Urschwarm ganz ohne Schiffe auskam und flügelschlagend einer lichten Bruchstelle des Kontinuums gefolgt war, mal gewärmt, mal geröstet von der Strahlung, halfen da auch nicht weiter.
     
    Weitere Kontaktversuche blieben aus. Die White Cat floh durchs All, derweil sich ihre Verfolger wie gewiefte Jagdhunde zurückfallen ließen. Was strategische Überlegungen nicht eben leichter machte.
    Inzwischen füllte Billy Anker das Schiff. Er verrichtete die gewöhnlichsten Dinge auf zu platzgreifende Weise. Seria Maú, gleichzeitig angezogen und abgestoßen, beobachtete mit Hilfe der versteckten Kameras eingehend, wie er sich wusch, aß, unter den Armen kratzte, während er auf dem Klo saß, den unteren Teil der Jagdfliegermontur um die Knie. Billy Anker roch nach Leder, Schweiß und noch etwas anderem, das sie nicht identifizieren konnte, obwohl es gut und gerne Maschinenöl hätte sein können. Nie legte er den fingerlosen Handschuh ab.
    Schlaf war kein Trost für ihn. Träume ließen ihn vor Furcht die Zähne fletschen; morgens schielte er in den Spiegel. Was gab es da zu sehen? Was für innere Reichtümer konnte er bei einem so durchschnittlichen Start ins Leben besitzen? Fabriziert und in Bewegung gesetzt als Erweiterung seines Vaters, hatte er sich in die Leere gestürzt, um sich zu beweisen. Er hatte diese und viele andere Verrücktheiten begangen und sich derart verschlissen, dass er sich verkrochen und zehn Jahre gebraucht hatte, um sich zu regenerieren, während der Krieg näher gerückt war und sich die großen Geheimnisse immer unzugänglicher statt zugänglicher gezeigt hatten und die Milchstraße ein wenig mehr auseinander gedriftet und alles um dieses Stückchen weiter aus dem Fadenkreuz gewandert war…
    Gib das alles auf, Billy Anker, wollte sie ihn beschwören. Jagst du nach der großen Entdeckung, dann futterst du nur den Vielfraß in dir. Alles, was du findest, macht ihn nur dicker und fetter.
    »Gib das alles auf, Billy Anker, und komm mit mir«, wollte sie ihn überreden.
    Was meinte sie damit? Ja, was bloß? Sie war ein Raumschiff und er ein Mann. Sie dachte darüber nach. Sie wachte über ihn, während er schlief, und hatte ihre eigenen Träume.
    In Seria Maús Träumen, die sich im erweiterten Sinnesapparat der White Cat ebenso vage ausnahmen wie ihre Erinnerungen, kniete Billy Anker über ihr, endlos auf sie herablächelnd, derweil sie zu ihm emporlächelte. Sie war verliebt, hatte aber nicht die geringste Ahnung, was sie wollen sollte. Verstört und benommen, wie sie war, ließ sie sich einfach betrachten. So viel stand fest, sie wollte das Gewicht seines Blickes spüren – in einem lichtdurchfluteten Zimmer an einem Nachmittag im Sommer. Doch ihre Phantasie wurde von einer Art Schattenversion dieses Ereignisses belagert, was die Dinge zuweilen absurd erscheinen ließ – es war kalt im Haus, auf einem Tablett wurde Essen kalt, die Dielen waren kahl, sie war so viel kleiner als er; alles, was sie empfand, war Verlegenheit und so etwas wie ein mechanisches Reiben… Um herauszufinden, wie sie sich verhalten sollte, sah sie sich Aufzeichnungen an, auf denen die Gefährten von Mona, dem Klon, zu sehen waren, und zwar an den Tagen, bevor sie sie durch die Schleuse evakuiert hatte. Von diesen Aufzeichnungen lernte sie in einem ungeduldigen Tonfall zu sagen: »Ja, ich will es. Ich will vögeln.« Doch am Ende fand Seria Maú es abwegig, dass jemand in sie eindringen sollte; ja, sie fand diese Vorstellung auf geradezu bestürzende Weise absurd.
     
    Auch Mona, der Klon, besichtigte sich je nach Gemütslage neugierig oder besorgt im Spiegel. Sie war an ihrem Körper interessiert, an ihrem Gesicht, und war geradezu besessen von ihrem Haar, das zu dem Zeitpunkt, als sie Billy Anker von Redline geborgen hatten, eine lange rötlich blonde seidige Mähne gewesen war, die dauernd nach Pfefferminzshampoo gerochen hatte. Sie türmte die Mähne so und anders, betrachtete sich aus diesem und jenem Winkel, bis sie sie mit einem Ausdruck des Ekels fallen ließ und sagte: »Ich bring mich um.«
    »Lass es gut sein, Schatz, und iss jetzt ein bisschen«, sagten die Schattenoperatoren teilnahmslos.
    »Ich tu’s wirklich«, drohte Mona.
    Sie und Billy Anker bewohnten das Menschenquartier wie zwei Tierarten dasselbe Gehege. Wenn es darauf ankam, hatten sie sich nichts zu sagen. Das war von Anfang an klar gewesen. Mona ließ sich von den Operatoren herrichten: weiße lederne Uniformjacke mit passendem

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