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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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hereinprojiziert wurde. Es sah überhaupt nicht nach dem Schatten eines Vogels aus. »Christus«, entfuhr es Kearney, sein Herzschlag erschütterte den ganzen Oberkörper. »Christus!« Der Schatten begann sich zu drehen, als drehe sich sein Urheber, der um zwei Uhr morgens zwei Stockwerke über einer Straße in Chiswick schwebte, – als drehe er sich um, um ihn, Kearney, anzusehen. Oder schlimmer noch – als handle es sich gar nicht um einen Schatten.
    »Jesus Christus, Sprake, er ist hier!«, schrie Kearney und lief aus der Wohnung. Irgendwo voraus hörte er die dumpfen Schritte von Sprake, doch Kearney holte nicht auf.
     
    Central London, 3.00 Uhr morgens:
    Fraktale quollen über eisblaue Bildschirme und entwickelten sich zu etwas, das an die ruckartige Bild-um-Bild-Zeitlupe eines viel älteren Mediums erinnerte. Brian Tate rieb sich die Augen und starrte. Die Suite hinter ihm lag im Dunkeln. Es roch nach Fastfood und kaltem Kaffee. Der Kater stöberte in dem Durcheinander aus gebrauchten Styroporbechern und Hamburgerschachteln rings um Tates Füße. Die Katze saß still auf Tates Schulter und beobachtete in einer Art geselliger Komplizenschaft: das mathematische Monster, das sich über die Schirme ergoss. Hin und wieder langte sie mit der Pfote aus, miaute ungeduldig, als wolle sie Tate auf etwas aufmerksam machen, das er verpasst hatte. Sie wusste, wo die Musik spielte. Tate nahm die Brille ab und legte sie vor sich auf den Tisch. Selbst bei dieser Geschwindigkeit war nichts auszumachen.
    Oder fast nichts. In Los Alamos hatte ihn – obwohl er das nie zugeben würde – das ewige Gerede über Physik und Geld derart gelangweilt, dass er den größten Teil seiner Freizeit auf dem Zimmer verbracht hatte; dort hatte er vor dem leise eingestellten Fernseher gehockt und rastlos von einem TV-Kanal zum anderen geschaltet. Was ihn veranlasst hatte, über das Phänomen ›Entscheidung‹ nachzudenken. Die ›Entscheidung‹, überlegte er, konnte man zeitlich sehr genau lokalisieren als den Moment, in dem das Bild aufflackerte, zusammenbrach und durch das nächste ersetzt wurde. Wenn man die Dinge auseinander pflückte und den exakten Moment des Übergangs erwischte, was würde man da finden? Sich der abstrusen Vorstellung hingebend, eine unbekannte Station sende – hoffentlich etwas Genießbareres als Wiederholungen von Buffy dem Vampirschlächter – in diese Lücke, genau in den Moment der ›Entscheidung‹ hinein, hatte er versucht, mit dem Videorecorder eine Reihe von Kanalwechseln aufzunehmen und sie im Einzelbildmodus abzuspielen. Das hatte sich als unmöglich erwiesen.
    Er langte hoch, um die Ohren der Katze zu streicheln. Sie wich aus, sprang auf den Boden und fauchte den Kater an, bis der sich unter Tates Stuhl verkroch.
    Tate nahm indessen den Telefonhörer ab und wählte Kearneys Privatnummer. Es meldete sich niemand.
    Er hinterließ eine weitere Nachricht.

 
8
     
Maßgeschneidert
     
    Als er Seria Maú die Worte »Dr. Haends« sagen hörte, erstarrte Onkel Sip für den Bruchteil einer Sekunde, dann zuckte er die Achseln. »Du solltest es noch mal herbringen«, wiederholte er. Das war seine Art sich zu entschuldigen. »Ich will ein Auge zudrücken.«
    »Onkel Sip? Kennst du einen Dr. Haends?«
    »Nie gehört«, sagte Onkel Sip rasch, »und ich kenne jeden Schneider von hier bis zum Zentrum der Milchstraße.«
    »Meinst du, es wär was Militärisches?«
    »Nein.«
    »Was Neumodisches?«
    »Nein.«
    »Was soll ich also machen?«
    Onkel Sip seufzte. »Sagte ich doch. Es noch mal herbringen.«
    Seria Maú spürte, wie sie sich sträubte. Ihr war, als sollte sie jetzt einen anderen Weg einschlagen. Sie sagte: »Du hast deine Glaubwürdigkeit verloren…«
    Onkel Sip warf die Hände hoch und lachte.
    »… und ich will mit diesem Burschen, diesem Billy Anker sprechen.«
    »Wie komme ich eigentlich dazu, mit einem Hologramm zu diskutieren!« Er sah sie groß an, immer noch amüsiert, doch plötzlich auf der Hut. »Erstens ist Billy Anker nicht dafür bekannt, dass er Sachen zurücknimmt«, sagte er leise. »Und zweitens ist er mein Geschäftspartner und nicht der deine. Zum Dritten ist er kein Zuschneider. Verstehst du? Was, junge Lady, glaubst du von ihm zu bekommen, das du von mir nicht bekommst?«
    »Weiß ich nicht, Onkel. Irgendwas. Keine Ahnung. Aber du weißt mehr als du sagst. Und irgendwo muss ich anfangen.«
    Er sah sie immer noch mit großen Augen an und es war ihm anzusehen, dass er

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