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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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diesem Bild war lebendig und aufpoliert. Alle Farben waren geschönt und satt. Die dicken Arme von Onkel Sip schlugen einen Bogen um seine Töchter, eine Hand in jedem Kreuz als handle es sich um die beiden Enden seines Akkordeons. Das Zimmer hinter ihm war rot und grün lackiert und in den Regalen hatte er seine Sammlung aus glänzenden Motorradteilen und anderem Tinnef aus der irdischen Geschichte zur Schau gestellt. Was immer man zu Gesicht bekam in Onkel Sips Haus, seine Frau war nie dabei; sie blieb so unsichtbar wie das Rüstzeug seines Berufs. »Und den Burschen«, sagte er, »findest du…«
    Er nannte ihr ein Sonnensystem und einen Planeten.
    »Er wird als 3-Alpha-Ferris VII geführt. Die Einheimischen, von denen es nicht viele gibt, nennen ihn Redline.«
    »Aber das ist doch in der…«
    »… Radio Bay.« Er hob die Schultern. »Wer hat gesagt, das Leben sei einfach, Kleines. Du entscheidest, wie sehr du willst, was du willst.«
    Seria Maú unterbrach die Verbindung.
    »Tschau, Onkel Sip«, sagte sie und ließ ihn mit seiner teuren Familie und seiner billigen Rhetorik allein.
     
    Drei Tage später verließ das K-Schiff White Cat, als Freibeuter aus Venusport, New Sol, registriert, den Parkorbit um Motel Splendido und glitt in die lange Nacht des Halo hinaus. Sie hatte Treibstoff und Kriegsmaterial geladen. Nach der Inspektion durch die Hafenbehörde hatte sie eine kleine Wartung der Hülle akzeptiert und den skandalösen Preis gezahlt. Sie hatte ihre Gebühren bezahlt. Im letzten Moment, aus Gründen, die ihr Käpten kaum nachvollziehen konnte, hatte sie auch noch Passagiere aufgenommen: ein selbstständiges Team aus Exogeologen samt Ausrüstung, das nach Suntory IV wollte. Zum ersten Mal seit einem Jahr brannte im Menschenquartier Licht. Die Schattenoperatoren schnitten Gesichter. Sie lungerten in Nischen herum, flüsterten und falteten die Hände in knöchernem Entzücken.
    Wer oder was waren sie eigentlich? Sie waren Algorithmen mit Eigenleben. Man traf sie in Raumschiffen an, im Herzen der Städte, überall wo Leute waren. Sie taten die Arbeit. Hatte es sie immer schon gegeben in der Galaxis? Warteten sie bloß darauf, dass Menschen irgendwo Fuß fassten? Waren sie Aliens, die sich in den leeren Raum geladen hatten? Uralte Computerprogramme, von ihrer Hardware enteignet, die umherstreiften, halb verloren, halb brauchbar, Ausschau haltend nach jemandem, dem sie zur Hand gehen konnten? In nur ein paar Jahrhunderten hatten sie in das Innenleben der Dinge gefunden. Ohne sie ging gar nichts mehr. Sie konnten sogar auf lebendem Gewebe laufen, als Schattenboys, böse und schön und getrieben von lauter unergründlichen Motiven. Sie konnten, wenn sie wollten, so hörte Seria Maú sie zuweilen wispern – sogar auf Röhren laufen.

 
9
     
Das ist Ihr Weckruf
     
    Tig Vesicle betrieb eine Tankfarm, doch er selbst benutzte das Zeug so wenig, wie er sich den Arm voll ABH pumpte. Er sah das so: Sein Leben war Scheiße, aber es war ein Leben. Also waren die Pornos, die er sich reinzog, billige, langweilige, holografische Massenware. In der Reklame nicht selten als Voyeur-Porno bezeichnet. Die Grundidee war: Das Zimmer einer Frau war ohne ihr Wissen mit Mikrokameras gespickt. Man sah sie alles tun, obwohl alles für gewöhnlich auf ein Cultivar hinauslief (mit Fangzähnen und Pferdepimmel), das die Frau in der Dusche erwischte. Vesicle schaltete diese Folgen meistens ab. Die Show, die er besonders mochte, stammte von einem Syndikat draußen im Halo und brachte ein Mädchen namens Stöhner, die angeblich in einer Firmenenklave irgendwo auf Motel Splendido lebte. Die Geschichte ging so: Ihr Mann war ständig unterwegs (obschon er nicht selten unerwartet zurückkam), und zwar mit fünf Geschäftspartnern, unter denen auch eine Frau war. Stöhner trug kurze pinkrosa Latexröcke, schulterfreie Elastiktops und weiße Söckchen. Sie hatte eine kleine, feine Schamhaarmatte. Sie langweilte sich, so die Geschichte, und war obendrein klug und verwöhnt. Vesicle zog es vor, wenn sie alltäglichen Dingen nachging, wenn sie sich zum Beispiel nackig die Fußnägel lackierte oder versuchte, sich über die Schulter im Spiegel zu betrachten. Eins musste man Stöhner lassen: Auch wenn sie ein Klon war, ihr Leib sah realistisch aus. An ihr war nichts überholt worden. Man bewarb sie mit dem Slogan ›nie beim Schneider gewesen‹, und er fand das glaubhaft.
    Mit ihr hatte es noch eine andere Bewandtnis: Sie nahm dich wahr, auch wenn

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