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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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Geflacker von Laserpeilstrahlen und der kräftige Geruch nach menschlichen Flüssigkeiten. Das Fenster zur Straße lag in Scherben. In den Wänden qualmten Löcher. Zwei Tanks waren von ihren Gestellen gekippt; die übrigen heizten unter dem lebhaften pinkfarbenen Alarm der Messgeräte rasch auf. Tig Vesicle wurde das Gefühl nicht los, dass sich alles um Tank sieben drehte. Die Kids hatten es aufgegeben, ihn aufzubrechen, wollten ihn aber nicht aufgeben. Vesicle, der das früh begriffen hatte, war so weit wie möglich von Nummer sieben fortgekrabbelt und kauerte in einer Nische, die Hände vor den Augen, derweil Cultivare durch den Rauch stürmten und brüllten: »He, trefft mich doch, trefft mich doch!«, und weggeputzt wurden. Die Kids waren taktisch im Vorteil: Aber wenn man Pech und keine Feuerkraft mehr hat, ist man aufgeschmissen. Sie kreischten in ihrem klebrigen Jargon. Sie zogen neue Kanonen aus ihren Regenmäntelchen. Während sie über die Schulter blickten und nach einem Ausweg suchten, wurden sie ins Bein oder ins Rückgrat getroffen und waren bald in einem Zustand, den kein Schneider mehr kurieren konnte. Es stand schlecht um sie, als zweierlei passierte:
    Jemand traf Tank sieben mit einem kurzen Raketengeschoss.
    Und in der Türöffnung erschienen die Cray-Schwestern und langten kopfschüttelnd in ihre Handtaschen.
     
    Irgendwo in der Vegetation hinter der brennenden Waschstraße waren Chinese Ed und Rita Robinson auf der Flucht. Ed ging davon aus, dass Hanson und der Staatsanwalt tot waren: Aus dieser Ecke war also keine Hilfe zu erwarten. Und Otto Rank hatte den Hochsitz gepachtet. Er war im Besitz des 30-06, die er aus Hogfat Wisconsins Küche mitgenommen hatte; zuvor hatte er Hogfats kleine Tochter gefoltert und getötet. Die Art, wie er sie aufgebahrt hatte, das hätte mir auffallen müssen, dachte Ed, aber nein, ich hatte ja alle Hände voll zu tun, den erfolgreichen Schnüffler hervorzukehren. Ich habe nicht kapiert, dass das noch zwei weitere Leben kosten würde; auch wenn eins davon nur seins war.
    Eds Kopf lugte zu weit aus der Vegetation heraus. Der flache Knall und Pfiff des 30-06 schnitt durch den schläfrigen Nachmittag. Am Flussufer, eine Viertelmeile entfernt, stoben ein paar Vögel auf.
    Sechzehn Schuss, dachte Ed. Vielleicht geht ihm die Munition aus.
    Der Rambo-Dodge stand da, wo Ed ihn geparkt hatte, auf der Stichstraße hinter dem Grundstück. Das war unmöglich zu schaffen. Rita war angeschossen. Er war auch angeschossen, aber weniger schlimm. Immerhin steckten in einem der Colts noch zwei Patronen. Er lief schneller, aber dann begann Ritas Wunde stärker zu bluten.
    »He, Ed«, sagte sie. »Komm, leg mich hin. Lass uns vögeln.«
    Sie lachte, doch ihr Gesicht war grau und ohne Hoffnung.
    »Jesus, Rita«, sagte Ed.
    »Ich weiß. Es tut dir Leid. Aber das sollte es nicht, Ed. Ich wurde zusammen mit dir erschossen, das passiert nicht vielen Mädchen.« Sie wollte wieder lachen. »Willst du nicht mit mir vögeln, gleich hier im Gras?«
    »Rita…«
    »Ich bin müde, Ed.«
    Sie sagte nichts mehr, und ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert. Schließlich legte er sie ins Gras und fing an zu weinen. Nach ein, zwei Minuten brüllte er: »Otto, du verdammtes Drecksschwein!«
    »Ganz meinerseits!«, rief Rank.
    »Sie ist tot.«
    Stille. Dann sagte Rank: »Gibst du auf?«
    »Sie ist tot, Otto. Du bist der Nächste.«
    Lachen.
    »Wenn du aufgibst…«, hob Rank an und begann laut nachzudenken. »Was werde ich dann tun?«, rief er. »He, hilf mir auf die Sprünge, Ed. Oh, warte, nein, ich hab’s: Wenn du aufgibst, sorge ich dafür, dass du einen fairen Prozess bekommst.« Er schoss auf die Stelle, wo er Eds Kopf vermutete. »Weißt du was?«, rief er, als die Echos sich verloren hatten. »Ich hab auch was abgekriegt, Ed. Rita hat mich mitten ins Herz getroffen, das war lange vor deiner Zeit. Diese Frauen! Aus kürzester Entfernung, Ed. Was sagt dir das?«
    »Dass du ein gottverdammtes mieses Stück Scheiße bist!«, sagte Ed.
    Er richtete sich auf, tat es so cool, wie er konnte. Er sah Otto Rank auf der Dachtraufe der Waschstraße, Rank kniete in der klassischen Infanteriehaltung, das 30-06 im Anschlag, die Schlaufe fest um den Ellbogen. Ed hob bedächtig und mit beiden Händen den Colt. Er hatte noch zwei Schuss und es war wichtig, dass er den ersten verzog. Er blinzelte den Schweiß aus den Augen und drängte die Mündung unmerklich ab. Der Schuss ging zehn, zwölf Fuß daneben und Ed

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