Licht
ließ den Revolverarm fallen. Otto, der überrascht gewesen war, als Ed aus der Vegetation wuchs, machte seiner Erleichterung in einem wüsten Gelächter Luft.
»Du hast die falsche Kanone, Ed!«, brüllte er.
Er stand auf. »He«, rief er. »Du hast noch einen Schuss frei, was sagst du dazu?«
Er warf die Arme auseinander. »Keiner trifft auf achtzig Yards mit einem 45er Colt.«
Ed hob den Revolver und schoss.
Rank wurde am Kopf erwischt und hintenüber geworfen. Er stürzte vom Dach in die Vegetation. »Fahr zur Hölle, Ed!«, kreischte er, doch er hatte bloß noch ein halbes Gesicht und war bereits tot. Chinese Ed sah auf seinen Colt hinunter. Er machte eine Geste als wolle er ihn wegwerfen. »Es tut mir Leid, Rita«, hob er an, als der Himmel hinter der Waschstraße eine stahlgraue Farbe annahm und zerriss wie ein billiges Druckerzeugnis. Diesmal war die Ente wahrhaft riesig. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Das gelbe Federkleid sah schmierig aus und seitlich aus dem Schnabel hing eine schlaffe menschliche Zunge.
»Wir haben leider eine Betriebsstörung«, sagte sie. »Guten Kunden…«
In diesem Augenblick zerriss das Bewusstsein von Chinese Ed und das unwirtliche, peinvolle Universum nahm sich seiner an. Seine Welt verlor ihre Farben und mit ihnen ihre hübschen einfachen Doppelbödigkeiten und dann wurde sie Schicht um Schicht abgeräumt, bis er, so sehr er sich auch mühte, nichts weiter als die käsigen Leuchtstoffröhren in Tig Vesicles Tankfarm erblickte. Er fuhr jählings aus dem Wrack von Tank sieben, halb ertrunken und sich vor Verwirrung und Entsetzen erbrechend. Sein stierer Blick fand nur treibenden Rauch, die toten Kinder und wie betäubt dreinblickende Cultivare. Proteom troff träge an ihm herunter wie Eiweiß aus einem fauligen Ei. Die arme, tote Rita war ein für alle Mal dahin, und er war nicht einmal mehr Chinese Ed, der Detektiv. Er war Ed Chianese, der Twink.
»Das ist mein Zuhause«, sagte er. »Ihr Burschen hättet ruhig anklopfen können.«
In der Türöffnung wurde gelacht.
»Du schuldest uns Geld, Ed Chianese«, sagte Bella Cray.
Sie musterte nachdenklich die beiden restlichen Kids. »Diese Punks sind nicht von mir«, sagte sie zu Tig Vesicle, der sich aufgerappelt und hinter dem schäbigen Sperrholztresen verschanzt hatte.
Evie Cray lachte.
»Sie sind auch nicht von mir«, sagte sie.
Sie zielte mit ihrer Chambers-Pistole und schoss den beiden mitten ins Gesicht, dann entblößte sie die Zähne.
»Und so wird es dir ergehen, Ed, wenn du nicht zahlst«, erläuterte sie.
»He«, sagte Bella. »Das wollte ich doch besorgen.«
»Diese Punks gehören Fedora Gash«, erklärte Evie an die Adresse von Tig Vesicle. »Wieso hast du sie reingelassen?«
Vesicle zuckte die Achseln. ›Ich hatte keine Wahl‹, deutete das Achselzucken an.
Die Cultivare räumten jetzt die Farm, ihre Toten und Verwundeten im Schlepptau. Letztere guckten an sich hinunter, beschmierten sich die Hände und sagten Sätze wie: »Du, am liebsten würd ich den ganzen Tag den Kugelfänger spielen?« Ed Chianese sah sie vorbeidefilieren und schauderte. Er kletterte aus dem kaputten Tank, pflückte sich die Gummikabel aus der Wirbelsäule und versuchte das Proteom mit bloßen Händen abzuwischen. Er spürte bereits die dunkle Stimme des Entzugs, als rede jemand auf ihn ein, der das schon seit langem tat.
»Ich kenne euch nicht«, sagte Ed. »Ich bin euch nichts schuldig.«
Evie schenkte ihm ihr großes Lippenstiftlächeln.
»Dein Dokument haben wir Fedy Gash abgekauft«, erläuterte sie. Sie besah sich die Trümmer der Tankfarm. »Sieht ganz so aus, als hätte sie nur ungern verkauft.« Sie schenkte ihm ein weiteres Lächeln. »Trotzdem. Ein Twink wie du ist jedem etwas schuldig, Ed. Ein Twink ist nichts weiter als ein Körnchen Protoplasma im Ozean.« Sie zuckte die Achseln. »Was soll man machen, Ed? Wir sind nichts weiter als Fische.«
Ed wusste, dass sie Recht hatte. Er wischte hilflos an sich herum, dann, als er Vesicle hinter dem Ladentisch sah, ging er zu ihm und sagte: »Hast du irgendwo Papiertücher oder so was Ähnliches?«
»He, Ed«, sagte Vesicle. »Ich hab das hier.«
Vesicle nahm den HiLite-Selbstlader heraus, den er dem toten Mädchen abgenommen hatte, und feuerte in die Decke. »Ich hab solche Angst, dass ich mir in die Hose machen könnte!«, brüllte er die Cray-Schwestern an. Sie blickten bestürzt drein. »Damit ihr’s wisst: Verpisst euch!« Er sprintete ruckartig hinter dem
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