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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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imitierten ihn. Neena Vesicle imitierte ihn noch, als er sie vögelte.
    »Ein bisschen breiter«, sagte sie, oder: »Jetzt komm ich rein«, dann lachte sie. »Ich meine dich, du. O Gott. O ja. Mach! Mach!«
    Sie war perfekt für ihn, denn sie war ihm fremder als er sich selbst. Als sie fertig waren, lag sie linkisch in seinen Armen, sagte: »Oh nein, es war schön, es war ganz leicht.« Sie sagte: »Wer bist du, Ed Chianese?« Darauf gab es mehrere Möglichkeiten zu antworten, doch sie hatte ihre Vorlieben. Sagte er: »Ich bin nichts weiter als ein Twink«, reagierte sie ausgesprochen sauer. Nach ein paar Tagen spürte er, wie er sich vom Tank entfernte. Er war weit weg, und dann kam er näher, und die Stimmen des Entzugs zogen sich zurück. Er fing an, sich an den richtigen Ed Chianese zu erinnern.
    »Ich habe Schulden«, erklärte er. »Wahrscheinlich gibt es im ganzen Universum keinen, dem ich nichts schulde.« Er sah auf sie hinunter. Sie sah kurz zu ihm auf, dann sah sie plötzlich beiseite, als sei es ihr peinlich. »Sch, sch«, machte er geistesabwesend. Dann: »Vermutlich wollen mich alle abkassieren oder übers Ohr hauen. Das, was in der Tankfarm passiert ist, war mehr als ein Ballerspiel.«
    Neena legte ihre Hand über die seine.
    »Das bist du nicht«, sagte sie.
    Einen Atemzug später sagte er: »Ich war einmal ein Kind.«
    »Und weiter?«
    »Ich weiß nicht, meine Mutter starb, meine Schwester ging fort. Ich hatte nur eins im Kopf: Ich wollte Raketenschiffe fliegen.«
    Neena lächelte.
    »Kleine Jungs mögen das«, sagte sie.

 
13
     
Monster Beach
     
    Kearney und Anna blieben eine Woche in New York, wo ihm zu guter Letzt noch der Shrander begegnete. Es passierte in Cathedral Parkway Station auf der Hundertzehnten, in einer Art Zeitfalte oder Hiatus, in irgendeiner Lücke im Tagesablauf. Die Bahnsteige lagen verlassen da, obwohl man spürte, dass es hier eben noch vor Menschen gewimmelt hatte; die schwer vernieteten zentralen Träger marschierten auf beiden Seiten davon und verloren sich im hallenden Duster. Es war Kearney, als höre er zwischen ihnen das Flattern eines Vogels. Als er hochblickte, hing da der Shrander oder jedenfalls sein Kopf.
    »Versuch dir«, hatte er einmal zu Anna gesagt, »so etwas wie einen Pferdeschädel vorzustellen. Wohlgemerkt, nicht den Kopf«, hatte er doziert, »nur den Schädel.« Der Schädel eines Pferdes sieht überhaupt nicht wie sein Kopf aus, vielmehr wie eine gewaltige, gebogene Schere oder wie ein mächtiger knöcherner Schnabel, dessen Hälften sich nur an der Spitze treffen. »Stell dir«, hatte er erklärt, »ein boshaftes, intelligentes, nichtsnutziges Ding vor, das anscheinend nicht sprechen kann. Ein paar Streifen Fleisch baumeln und flattern an ihm herum. Selbst der Anblick seines Schattens ist unerträglich.« Für jemanden, der allein auf dem Bahnsteig von Cathedral Parkway stand, war der Anblick noch unerträglicher. Kearneys Blick währte nur eine Schrecksekunde, dann rannte Kearney los. Er hatte keine Stimme vernommen, aber der Shrander hatte zweifellos etwas zu ihm gesagt. Als er wieder zur Besinnung kam, stolperte er im Central Park herum. Es regnete. Er fror und hatte sich mit Erbrochenem besudelt. Wenig später war er wieder im Apartment.
    »Was ist passiert?«, fragte Anna. »Was, zum Kuckuck, ist los mit dir?«
    »Packen«, sagte er nur.
    »Zieh dich wenigstens um.«
    Er zog trockene Sachen an, und sie packte; und sie mieteten sich ein Auto von Avis; und Kearney fuhr so schnell, wie die Umstände es zuließen, zum Henry Hudson Parkway und verließ von dort aus die Stadt in Richtung Norden. Der Verkehr war aggressiv, die Schnellstraßen dunkel und schmutzig, ein Maschendraht aus Kreuzungen ganz wie Kearneys Nerven, und nach weniger als einer Stunde musste Anna wohl oder übel übernehmen, denn Kopfschmerzen und das grelle Licht des Gegenverkehrs machten ihn nahezu blind. Selbst das Wageninnere schien angefüllt mit Nacht und Wetter. Die Rundfunksender da draußen blieben namenlos und sonderten lediglich Gangsta Rap als das neue Lebensgefühl ab. »Wo sind wir?«, riefen Kearney und Anna einander über die Musik hinweg zu. »Links abbiegen! Links!« – »Ich fahre rechts ran.« – »Nein, nein, fahr weiter!« Sie kamen sich vor wie Freizeitsegler im Nebel. Kearney starrte ratlos durch die Windschutzscheibe, dann kletterte er plötzlich in den Fond und schlief ein.
    Stunden später wachte er auf einem Rastplatz an der Interstate 93 auf. Er hatte

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