Licht
der schwer zu beschreiben war: eine Mischung aus Zimt und Schmalz. Sie schliefen auf Matratzen, die direkt auf dem Boden lagen. Die Männer traten auf ihre sperrige Art aus, sodass es unmöglich war, nicht über ihre Füße zu stolpern, wenn man sich seinen Weg suchte: Sie sahen kurz vom Masturbieren auf, die Augen so leer und nachdenklich wie die von Tieren in dem sonderbaren grauen Licht. Die Frauen trugen das Haar in einem flauschigen, kurzen Tuff über dem durchaus schönen ovalen Schädel. Sie trugen ärmellose Baumwollkittel in Ockertönen, die schmucklos von den Schultern hingen. Ihre Körpersprache sagte: Immer schön in Bewegung bleiben, sonst fällst du noch mehr auf. Überall rannten Kinder herum, die vorgaben K-Schiffe zu sein. Überall an den Wänden klebten die beliebten Poster vom Kefahuchi-Trakt. Die Neuen Menschen huldigten einer Art Kult, in dessen Mittelpunkt die Idee stand, dass sie dort ihren Ursprung hatten. Das war so traurig wie alles an ihnen. Jedes Kind wusste, woher sie kamen, jedenfalls nicht von dort.
In einem Kabuff, das aussah wie all die anderen, hielt Tig Vesicle unschlüssig inne.
»Ja, hier bin ich zu Hause«, sagte er.
Eine Frau, die teilnahmslos in das Hologramm oben in der Ecke des Kabuffs starrte, sah genauso aus wie er.
»Das ist Neena«, sagte Tig Vesicle. »Meine Frau.«
Ed sah auf sie hinunter. Ein breites Grinsen überkam sein Gesicht.
»He«, sagte er. »Freut mich, Sie kennen zu lernen, Neena. Kriegt man hier was zu essen?«
In jedem Kabuff stand ein einfacher Herd. Die Neuen Menschen aßen für gewöhnlich eine Art Nudelsuppe. (Manchmal schwammen darin Objekte herum, die mit ›lauwarmen und bläulichen Eiswürfeln‹ am treffendsten umschrieben waren.) Ed blieb vier Wochen in dem Gehege. Er schlief auf der Matratze. Tagsüber, wenn Tig Vesicle in der Stadt war – hier ein bisschen ABH verschob, dort ein bisschen überteuerten Speed, und sich bemühte, den Cray-Schwestern aus dem Weg zu gehen –, zog Ed sich die Hologramme rein und futterte, was Neena kochte. Die Zeit verging größtenteils langsam. Er war auf Entzug. Es war schmerzhaft; hinzu kam, dass die Realität meistens auf Distanz blieb, und dass die schlichte Ungereimtheit, unter Neuen Menschen zu leben, das alles nur noch schlimmer machte. Er versuchte unentwegt sich zu erinnern, wer er wirklich war. Er konnte sich nur an den fiktiven Ed erinnern, eine Montage aus glasklaren Ereignissen, die sich nie ereignet hatten. Am Nachmittag des dritten Tages kniete Neena Vesicle sich zu ihm auf die Matratze.
»Kann ich irgendwie helfen?«, fragte sie.
Ed sah zu ihr auf.
»Doch ja, ich denke schon.«
Er langte hoch, legte ihr die Hände rechts und links an die Rippen und wollte sie mit leichtem Seitwärtsdruck dazu bewegen, sich über ihn zu knien. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er meinte. Dann versuchte sie unbeholfen und konzentriert, seinem Wunsch nachzukommen. »Ich bin ganz Arm und Bein«, sagte sie. Eben noch hatte sie so gut wie gar nicht gerochen, doch jetzt, da er sie berührte, verströmte sie einen schweren süßen Duft. Jedes Mal, wenn er sie an einer neuen Stelle berührte, zuckte ein Bein oder sie hielt den Atem an und schrie gleichzeitig auf oder erschauerte und rollte sich halb zusammen. Sie sah auf Eds Hände hinunter, die ihr den Baumwollkittel in die Taille schoben.
»Oh«, sagte sie. »Guck dich an.« Sie lachte. »Ich meine mich.«.
Ihre Rippen benahmen sich auf eine Weise, die er nicht ganz verstand.
Später sagte sie. »Ist das gut so? Wir machen es falsch herum für dich. Ein bisschen falsch herum.« Sie fauchte. Sie fuhr sich mit einer Hand von unten her über Gesicht und Schädel. »Ist das gut so?« Tankentzug saß in den Knochen. War zellulär, organisch. War aber auch so etwas wie Trennungsangst. War der anhaltende Schrei dessen, der zurückwollte in eine verlorene Welt, die er geliebt hatte. Eine Heilung gab es nicht, aber Sex half. Twinks auf Entzug waren versessen auf Sex. Sex wirkte wie Morphium auf sie.
»Das tut gut«, sagte Ed. »Ah ja. Das ist schön.«
In den vier Wochen, die er im Gehege verbrachte, ahmten sie ihn alle nach. Hatten sie jemals mit einem Menschen so auf Tuchfühlung gelebt? Was genau bedeutete das für sie? Sie kamen an die Schwelle des Kabuffs und besahen ihn mit einer Art düsterer Passivität. Eine typische Geste oder ein Sprachmuster von ihm machte binnen einer Stunde die Runde. Die Kinder rannten von Abteil zu Abteil und
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