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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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zuvor hatte sie einen kleinen Konvoi – drei Dynaflow-Frachter, Zivilschiffe mit ›archäologischen‹ Artefakten aus einem Bergbau-Gürtel zwanzig Lichtjahre parallel zum Strand, vorangescheucht von einer schwer bewaffneten Jolle namens La Vie Féerique – an diesen düsteren Ort gelockt und ihn dort zurückgelassen, derweil sie sich woanders zu schaffen machte. Die Mathematik der White Cat wusste genau, wie die Schiffe wiederaufzufinden waren: Letztere, auf die normalen Tate-Kearney-Transformationen angewiesen, konnten sich gerade mal auf das Datum verständigen. Als Seria Maú zurückkehrte, hatte die Jolle, von der Verantwortung überfordert, die Frachter in den Schatten eines alten Gasriesen dirigiert und versuchte verzweifelt, einen Fluchtweg zu berechnen. Seria Maú beobachtete den Konvoi neugierig. Sie war gelassen, die anderen nicht. Sie belauschte ihren Sprechverkehr. Man begann Verdacht zu schöpfen, argwöhnte, sie sei in der Nähe. Die La Vie Féerique hatte Drohnen ausgeschickt. Winzige aktinische Lichtscheibchen verrieten, wo dieselben auf Minenfelder stießen, die Seria Maú Tage zuvor in die unterschwelligen Schwereströmungen des Clusters gesät hatte.
    »Ah«, sagte sie, als könne man sie hören. »Ihr solltet vorsichtiger sein hier draußen in der Leere.«
    Die Worte waren noch nicht verklungen, als die White Cat durch eine Wolke nichtbaryonischer Partikel tauchte, die kaum auf die Passage reagierten und wie ein Gespenst über die Hülle strichen. Im verwaisten Menschenquartier erwachten ein paar Anzeigen der manuellen Backup-Systeme zum Leben, tanzten und fielen auf Null zurück. Als Materie war die Wolke kaum vorhanden, aber die Schattenoperatoren reagierten. Sie sammelten sich an den Bullaugen und arrangierten das einfallende Licht so, dass sie – sich im Spiegel betrachtend, wispernd und mit dünnen Fingern über den Mund oder durchs Haar fahrend und mit den trockenen Schwingen raschelnd – ein möglichst tragisches Bild abgaben.
    »Wärst du nur so gewachsen, Cinderella«, beklagten sie in der alten Sprache.
    » Wär das schön«, sagten sie.
    Das muss jetzt nicht sein, dachte sie.
    »Geht wieder auf euren Posten«, befahl sie, »oder ich lasse die Bullaugen entfernen.«
    »Wir sind immer auf unserem Posten…«
    »Wir wollten dich nicht kränken, Liebes. Bestimmt nicht.«
    »… immer auf unserem Posten, Liebes.«
    Als sei dies ein Signal gewesen, geriet die La Vie Féerique, die sich rasch der lokalen Sonne näherte, in ein Minenfeld.
    Die Minen – zwei Mikrogramm Antimaterie, die von Hydrazintriebwerken, eingeätzt in Silikonscheibchen von einem Quadratzentimeter, an ihren Bestimmungsort gebracht wurden –, diese Minen waren nicht viel intelligenter als eine Maus; aber sobald sie wussten, dass man da war, war man tot. Das alte Dilemma. Man darf sich nicht bewegen und man darf nicht aufhören, sich zu bewegen. Die Besatzung der La Vie Féerique wusste, was ihr widerfuhr, auch wenn alles sehr schnell ging. Seria Maú hörte sie schreien, als die Jolle der Länge nach aufriss und auseinander brach. Kurz darauf stießen zwei Frachter zusammen, als ihre Dynaflowtreiber nach dem Raumgefüge packten, um sie auf überstürzt und unzulänglich berechneten E&E-Bahnen (* Evasion and Escape.) aus der Deckung zu hangeln. Der dritte Frachter stahl sich unter die Trümmer rings um den Gasriesen, schaltete alles ab und richtete sich aufs Warten ein.
    »Nein, nein, mein Dickerchen«, sagte Seria Maú. »So haben wir nicht gewettet.«
    Mir nichts dir nichts tauchte sie Backbord achtern auf und ließ zu, dass man sie entdeckte. Was eine jähe Zunahme des internen Funkverkehrs zur Folge hatte sowie einen kleinen wohltuenden Satz, mit dem sich der Frachter in Sicherheit bringen wollte; beidem setzte sie mit ein paar schwereren – wenn auch nicht ganz so intelligenten – Waffen ein Ende. Das Flackern der Explosion beleuchtete etliche kleine Asteroiden und ganz kurz das Wrack der Jolle, die – im Bann des lokalen chaotischen Attraktors und in ein wunderschönes radioaktives Glühen gehüllt – im endlosen Salto vorüberzog.
    »Was heißt das eigentlich?«, fragte Seria Maú die Schattenoperatoren: »La Vie Féerique?«
    Keine Antwort.
     
    Wenig später glich sie ihre Geschwindigkeit der des Wracks an und hing da, während es sich langsam überschlug: verbogene Rumpfplatten, gigantische Teile des Dynaflowantriebs, die aussahen wie Meilen sich träge schlängelnder Kabel. »Kabel?«, lachte Seria

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