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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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einen zerstreuten Intellektuellen, der vor der freien Marktwirtschaft kapituliert hatte, dann zur Molekularbiologie zurückgekehrt war, nur um kurz darauf als Lehrer an einer Gesamtschule in Lancashire anzuheuern.
    Meadows war groß und so schlank und elastisch wie eine Gerte. Als Kearney ihn kennen lernte, hatte er gerade seine Pharmatriumphe hinter sich und die gnadenlos kurze safrangelbe Frisur und den Spitzbart eines Internet-Unternehmers favorisiert. Jetzt trug er Anzüge von Piombo, und sein Arbeitsplatz – mit dem grimmigen Ausblick auf die Bäume, die den Treidelpfad der alten Lea Valley Fahrrinne säumten – hätte einer Ausgabe von Wallpaper entnommen sein können. Sitzmöbel von B&B Italia, die auf einen Schreibtisch blickten, der aus einer einzigen Platte aus umgeschmolzenem Glas bestand, auf dem, als hätten sie eine wie immer geartete Beziehung zueinander, eine Kaffeekanne von Mac Cube und Sottsass stand. Dahinter saß er, ein verhaltenes Lächeln im Gesicht, und beäugte Valentine Sprake.
    »Du musst uns bekannt machen«, wandte er sich an Kearney.
    Sprake, der sich im Lift regelrecht in Erregung gesteigert hatte, stand jetzt mit beiden Ellbogen und Händen bäuchlings gegen die Glaswand gelehnt und starrte auf zwei kühlschrankgroße Klötze Verpackungsmaterial hinunter, die in der hereinbrechenden Dämmerung den Kanal hinunterschwammen.
    »Lass uns später von ihm reden«, empfahl Kearney. »Er hat eine großartige Idee für ein neues Medikament.« Er saß am Ende von Meadows Schreibtisch. »Brian Tate sorgt sich deinetwegen, Gordon.«
    »Tut er das?«, sagte Gordon. »Das täte mir Leid.«
    »Er sagt, du würdest uns unter Druck setzen. Du wolltest uns an Sony verkaufen. Das wollen wir aber nicht.«
    »Ich glaube, Brian ist…«
    »Soll ich dir sagen, warum wir das nicht wollen, Gordon? Wir wollen das nicht, weil Brian eine Primadonna ist. Eine Primadonna muss das Gefühl haben, dass man ihr vertraut. Dieses Gedankenexperiment ist nicht so schwer.« Kearney hielt seine Hände auf. Er blickte auf die Linke.
    »Kein Vertrauen«, sagte er, dann blickte er auf die Rechte, »kein Quantencomputer.« Er wiederholte das Spiel. »Kein Vertrauen, kein Quantencomputer. Bist du so intelligent, dass du den Zusammenhang erkennst, Gordon?«
    Meadows lachte.
    »So naiv, wie du tust, bist du nicht«, sagte er. »Und Brian ist bestimmt nicht so nervös, wie er vorgibt. Jetzt wollen wir mal nachsehen…« Er tippte ein paar Tasten. Auf dem Monitor erblühte eine Wildwiese an tabellarischen Übersichten. »Eure Burn Rate (* Kapitalverbrauch pro Zeiteinheit.) ist ziemlich hoch«, las er nach einer Weile heraus. Er hielt die Hände auf und blickte wie Kearney von der einen zur anderen. »Kein Geld«, sagte er, »keine Forschung. Wir brauchen frisches Kapital. Und ein Schachzug wie dieser – solange er der Wissenschaft nicht abträglich ist – würde unseren Spielraum vergrößern und nicht eingrenzen.«
    »Wer ist uns?«, fragte Kearney.
    »Du hörst nicht zu. Brian hätte seine eigene Abteilung. Das wäre Teil des Pakets. Er fragt sich, ob du genug Einsatz zeigst, Michael. Das macht ihm Sorge.«
    »Ich glaube, du willst uns fallen lassen. Ein guter Rat: Versuch’s erst gar nicht.«
    Meadows studierte seine Hände.
    »Du bis paranoid, Michael.«
    »Stell dir vor.«
    Valentine Sprake löste sich vom Blick in die Abenddämmerung und ging mit schnellen, ruckartigen Schritten durch den Raum, als habe er draußen im Sumpfland etwas Erstaunliches gesehen. Er lehnte sich über den Schreibtisch, nahm die Kaffeekanne und trank direkt aus der Tülle. »Letzte Woche«, sagte er zu Meadows, »erfuhr ich, dass Urizen (* Die von William Blake geschaffene mythische Figur Urizen steht für eine repressive Moral.) wieder unter uns ist, und Er heißt Old England. Wir treiben wie Schiffbrüchige im Meer aus Zeit und Raum. Denken Sie auch darüber mal nach.« Er stakste, die gefalteten Hände vor der Brust, aus dem Büro.
    Meadows sah amüsiert drein.
    »Wer ist das, Michael?«
    »Frag nicht«, sagte Kearney geistesabwesend. Auf dem Weg hinaus sagte er: »Und mach Brian keinen Stress.«
    »Ich kann euch beide nicht ewig in Watte packen«, rief Meadows ihm nach. In dem Moment wusste Kearney, dass Meadows sie bereits an Sony verkauft hatte.
    Leichte Trennelemente in Pastellfarben sorgten in dem sonst öden Glasgehäuse von MVC-Kaplan für eine gewisse Privatsphäre. Das Erste, was Kearney außerhalb von Meadows Arbeitszimmer sah, war der

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