Licht
Hitze gerötet, ihre gereizte Miene sagte, dass sie fieberhaft nach einer Erklärung suchte. Er legte sein Rasiermesser ab, beugte sich über die Wanne und küsste sie auf den Mund. Er fuhr ihr mit der Hand zwischen die Beine. Anna wand sich, versuchte sich zu drehen und sich anzubieten, sie schnaufte, Wasser schwappte über den Rand der Wanne. Kearneys Handy meldete sich.
»Lass es«, sagte Anna. »Geh nicht ran. Oh.«
Später zwang Kearney sich, die Mailbox abzuhören.
Die meisten Anrufe stammten von Brian Tate. Tate hatte zwei- bis dreimal täglich angerufen, manchmal nur die Nummer der Forschungssuite hinterlassend, als dächte er, Kearney könne sie vergessen haben; manchmal redete er, bis das Zeitlimit ihm ins Wort fiel. Erst klang er verletzt, geduldig, anklagend; bald wurde sein Tonfall ungeduldiger. »Michael, um Himmels willen«, sagte er: »Wo steckst du denn? Ich dreh noch durch hier.« Der Anruf war acht Uhr abends getätigt worden und im Hintergrund waren Lachsalven zu hören, was nahe legte, dass Tate aus einer Kneipe anrief. Tate legte plötzlich auf, doch schon nach fünf Minuten ging der nächste Anruf ein, er kam von seinem Handy.
»Die Verbindung ist beschissen«. sagte er, dann folgte etwas Unverständliches, dann: »Die Daten sind wertlos. Und die Katzen…«
Nach zwei oder drei Tagen schienen sich die Dinge zuzuspitzen. »Wenn du nicht kommst«, drohte er, »schmeiß ich alles hin. Ich hab es satt, den ganzen Kram allein zu machen.« Nach einer Pause: »Michael? Es tut mir Leid. Ich weiß, du wolltest…«
Danach gab es keine Anrufe mehr, bis auf den allerjüngsten. Und der lautete nur: »Kearney?« Es gab ein Hintergrundgeräusch, das sich wie Regen anhörte. Kearney wollte zurückrufen, doch Tate hatte wohl sein Handy abgeschaltet. Als er den Anruf noch einmal abhörte, gab es hinter dem Regen noch einen Ton, eine Rückkopplung, die sich abrupt verschlang. »Kearney?«, sagte Tate. Regen und Rückkopplung. »Kearney?« Schwer zu beschreiben, wie zögerlich er klang.
Kearney schüttelte den Kopf und zog den Mantel an.
»Ich wusste, dass du noch mal weggehst«, sagte Anna.
Kaum hatte sich die Tür geöffnet, als der schwarze Kater, buckelnd und miauend auf ihn zulief. Doch Kearney streckte die Hand zu plötzlich aus, und das Tier fiel in eine defensive Hocke, als habe er es geschlagen, und lief davon.
»Schh«, machte Kearney geistesabwesend. »Schh.«
Er lauschte. Temperatur und Luftfeuchtigkeit der Suite wurden automatisch geregelt, es kam selten vor, dass Ventilatoren und Entfeuchter so einhellig schwiegen. Er drückte auf den Schalter, und die Leuchtstoffröhren flammten auf; ihr lautes Surren unterstrich die Stille. Er blinzelte. Alles bis auf die Möbel war sorgfältig in Kisten verpackt und irgendwohin geschafft worden. Auf dem Teppich lauter Styroporfüllsel und Reste von Heißklebefolie. In einer Ecke zwei kaputte Umzugskartons mit dem Logo Blaney Research Logistics. Die Arbeitstische waren leer bis auf den Staub, der sich in den Monaten ihrer Benutzung angehäuft hatte und nun mit den Leerstellen der abgeräumten Installationen schaltplanartige Muster bildete.
»Mieze?«, sagte Kearney. Seine Fingerkuppe malte im Staub.
Auf dem niedrigen Schrank fand er einen gelben Klebezettel mit einer Telefonnummer und einer E-Mail-Adresse. Sorry, Michael stand daruntergekritzelt.
Kearney sah sich um. Alles, was Gordon Meadows über Tate gesagt hatte, kam ihm wieder in den Sinn. Er schüttelte den Kopf. »Brian«, murmelte er, »du gutmütiger Scheißkerl.« Er war beinah amüsiert.
Tate hatte sich mit seinen Ideen nach Sony geflüchtet, mit oder ohne Zutun von MVC-Kaplan. Er musste den Plan schon vor Wochen gefasst haben. Aber hier war noch etwas anderes passiert, etwas weniger leicht Verständliches. Wieso hatte er die Katzen im Stich gelassen? Warum hatte er die Flachbildschirme aus ihren Verbindungen gelöst, sie dann auf den Boden geworfen und mit wüsten Fußtritten zerstört? Tate und Wut wollten nicht zusammenpassen. Kearneys Fuß schob mit den Stücken herum. Sie lagen im normalen Wust aus Junkfoodverpackungen und anderen Abfällen, wovon manches älter als eine Woche war. Die Katzen hatten den Müll als Klo benutzt. Der Kater kauerte in den Trümmern und starrte zu ihm hoch wie ein kleiner lebendiger Wasserspeier.
»Schh«, machte Kearney.
Er langte jetzt behutsamer nach unten und diesmal rieb sich der Kater an seiner Hand. Die Flanken zitterten, das Tier war
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