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Licht

Titel: Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. John Harrison
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einer ironischen Anspielung auf alles, was sich im Weltraum ereignete – sollten die Bildzeichen und die Namen, die ihnen die Spieler gaben, das berüchtigte N=1000-Gefecht darstellen: eine frühe Begegnung von Menschen und Nastischen, in deren Verlauf der EMC-Admiral Stuart Kauffman angesichts der unüberschaubar vielen Ereignisse und Bedingungen im Kampfgebiet – so viele Schiffe und so viele Dimensionen, die man allzu leicht verwechseln konnte; so viel Physik, um sich zu tarnen; so viele Nanosekundenstrategien, die einander überlagerten und durchsetzten –, angesichts all dessen also der Admiral die Tate-Kearney-Transformationen verwarf und schlicht und einfach würfelte, um seine Schritte zu entscheiden. Ed, der in dem Spiel eher eine Einkommensquelle als eine Anspielung sah, hatte es sein ganzes Erwachsenenleben hindurch gespielt, vom ersten Mal, da er sich an Bord eines Schiffes geschmuggelt, bis zum letzten Mal, da er sich von Bord eines solchen gestohlen hatte. Die leisen Stimmen der alten Männer füllten die Bar.
    »Ich brauch ein Overend.«
    »Du hast sie nicht alle.«
    »Und was sagst du dazu?«
    »Ich bleib dabei.«
    Ed blätterte sein Geld hin. Er lächelte über die Decke hinweg und meldete Veganische Schlangeneier.
    »Das lässt sich hören«, lenkten die alten Männer ein.
    Er blies auf die Würfel – sie lagen schwer und kühl in der Hand, irgendein exotisches Elfenbein, das einem die Wärme aus der Hand laugte, die kinetische Energie, um die Bildzeichen beim Fallen zu verändern. Sie stoben auseinander und überschlugen sich, sprangen wie Grashüpfer. Symbole fluoreszierten für Bruchteile von Sekunden -Interferenzmuster, uralte Holografien in Blau, Grün und Rot –, wenn sie einen schräg einfallenden Lichtstrahl durchquerten. Ed glaubte das Pferd zu sehen, den Trakt, einen Klipper in aufgetürmten Wolken. Dann die Zwillinge, die ihm einen jähen Schauder über den Rücken jagten. Einer von den alten Männern hustete und langte nach seinem Rum. Ein paar Minuten später, als Geld den Besitzer zu wechseln begann, geschah dies ebenso wortkarg wie respektvoll.
     
    Ed trieb sich tagelang am Zirkus herum, bevor sich etwas tat. Annie Glyph kam und ging auf ihre scheue, ruhige Art. Sie schien sich zu freuen, wenn sie ihn nach getaner Arbeit antraf. Immer brachte sie ihm etwas mit. Immer tat sie ein bisschen erstaunt, dass er noch da war. Er gewöhnte sich allmählich an den riesigen Leib, der sich hinter dem Duschvorhang bewegte. Sie war so behutsam! Nur nachts, wenn sie den Café électrique ausschwitzte, nahm er vorsichtshalber Abstand.
    »Gefällt dir jemand, der so groß ist wie ich?«, fragte sie nicht zum ersten Mal. »Alle, die du bisher gevögelt hast, waren klein und hübsch, oder?«
    Das ärgerte ihn, aber er wusste nicht, wie er ihr das beibringen sollte.
    »Du bist okay«, sagte er. »Du bist schön.«
    Sie lachte und sah beiseite.
    »Ich darf nicht viel im Zimmer haben«, sagte sie, »sonst werf ich noch was um.«
    Morgens war sie immer schon fort. Er schlief lange, frühstückte im Café Surf an der Strandpromenade, wo er auch die Nachrichten verfolgte. Der Krieg kam jeden Tag näher. Die Nastischen töteten Frauen und Kinder an Bord von Zivilschiffen. Weiß der Teufel, warum sie das taten. Die Wracks füllten die Holo-News. Irgendwo draußen in der Nähe von Eridani IV trudelten Textilien von Kindern und Gegenstände des alltäglichen Lebens durchs Vakuum, als hätte sie jemand davongescheucht. Irgendein bedeutungsloser Hinterhalt, drei Frachter und eine bewaffnete Jolle, La Vie Féerique, zerstört. Besatzungen und Passagiere innerhalb achtzig Nanosekunden atomisiert. Was war davon zu halten? Nach dem Frühstück durchkämmte Ed den Zirkus auf der Suche nach Arbeit. Er sprach eine Menge Leute an. Alle waren sie hilfsbereit, konnten ihm aber nicht helfen.
    »Es ist wichtig, dass Sie erst mit Madame Shen reden«, hieß es immer wieder.
    Nach ihr zu suchen, wurde zur fixen Idee bei ihm. Jeden Tag pickte er sich von weitem jemanden heraus, der Madame Shen sein sollte, jemanden, dessen Geschlecht nicht auszumachen war, der nur undeutlich zu sehen war im grellen Auflicht des Betons. Abends setzte er dann Annie Glyph unter Druck: »Ist sie heute hier oder nicht?« Annie lachte dann.
    »Ed, sie hat zu tun.«
    »Aber ist sie hier heute?«
    »Sie hat immer zu tun. Sie trägt Verantwortung für andere. Du wirst ihr bald begegnen.«
    »Okay also: Da hinten, ist sie das?«
    Annie amüsierte

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