Licht (Gone) (German Edition)
Nach allem, was wir in dieser Hölle durchgemacht haben, um zu überleben, hätten uns die Schweine einfach umgebracht!«
Während Sam und Brianna sie noch entgeistert anstarrten, sagte Toto: »Das glaubt sie wirklich.«
»Ja, den Eindruck habe ich auch«, erwiderte Sam trocken. »Toto, tu mir einen Gefallen und hol Edilio her. Und Dekka. Wir vergeuden bloß unsere Zeit.«
Totos Augenbraue wanderte nach oben. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte er etwas einwenden, doch dann stand er auf und kletterte von Bord.
»Brianna, mir ist klar, dass du die Gaffer da draußen amliebsten rund um die Uhr unterhalten würdest, aber ich brauche dich auf Patrouille.«
»Ich wollte gerade los«, sagte Brianna eingeschnappt. Sie verschwamm, tauchte auf dem Steg aber noch einmal auf, um hinzuzufügen: »Übrigens, Sam, sie wollen immer noch ein Interview mit dir.« Und dann war sie weg.
»Wieso nur habe ich das Gefühl, wir hätten eine völlig verrückte Zwölfjährige als Tochter?«, murmelte Astrid.
Als Sam sie ansah, lag so viel Liebe in seinem Blick, dass es selbst einem Blinden aufgefallen wäre. Die Zeiten, in denen er nie genau gewusst hatte, ob sie nun zusammen waren oder nicht, waren endgültig vorbei.
Astrid stand breitbeinig und mit verschränkten Armen da. In ihren dreckigen Jeans, dem ärmellosen T-Shirt und mit den rabiat gekürzten Haaren sah sie genauso verwahrlost aus wie alle anderen, aber ihr kühler und wertender Blick, mit dem sie die Welt genauer beobachtete als irgendwer sonst, war unverändert scharf.
Sie war immer noch Astrid, das Genie. Das Mädchen, das Sam vor der FAYZ so eingeschüchtert hatte, dass er sich nicht einmal getraut hätte, sie anzusprechen, geschweige denn nach einem Date zu fragen. Damals war sie ihm so überlegen vorgekommen und so unerreichbar, als lebte sie auf einem anderen Planeten.
Das Komische war, dass seine Scheu vor ihr bis jetzt nicht ganz verflogen war – und das, obwohl er nicht mehr fürchten musste, ihr nicht gewachsen zu sein. Sie war nicht länger die kühle, distanzierte Astrid, die wie vom Olymp auf ihn herabschaute und ihn mit einer Mischung aus Zuneigung und Enttäuschung betrachtete.
Sie hatte sich zu ihm bekannt. Bedingungslos. Und seitdem kam es ihm so vor, als wären sie von einer eigenen, unsichtbaren FAYZ umgeben, die nur sie beide einschloss und in der sie keine Sekunde lang voneinander getrennt sein wollten.
Sie waren Tag und Nacht zusammen. Eins geworden, auch wenn sie sich manchmal immer noch stritten.
Unzertrennlich bis in den Tod.
Der sehr wahrscheinlich war – ein Gedanke, bei dem sich ein Schatten auf Sams Miene legte.
Das Endspiel. Lange hatte es nicht gedauert, bis sich dieses Wort in der FAYZ etabliert hatte.
Manchmal versuchte Sam sich vorzustellen, wie das Endspiel aussehen würde. Doch sobald er einen Schritt weiterging und sich die Zeit danach ausmalen wollte, ließ ihn seine Fantasie im Stich. Er war überzeugt davon, dass es bis dahin nicht mehr lange dauern würde. Er spürte es in den Knochen. Nur konnte er einfach nicht glauben, dass er es lebend hier herausschaffen würde.
Das Ende, das er sich vorstellte, war stets ein schreckliches: Er sah sich, wie er den anderen hinterherblickte, selbst aber in der FAYZ zurückblieb.
Edilio und Dekka waren auf dem Steg aufgetaucht. Toto hatten sie klugerweise nicht mitgebracht.
Als sie an Bord kamen, blieb Sam sitzen und nickte ihnen zu.
Edilio ließ sich in einen der Liegestühle fallen. Er wirkte müde und verstaubt. Zu behaupten, er sähe alt aus, wäre falschgewesen. Er war immer noch ein von der Sonne gebräunter, dunkelhäutiger Teenager in Jeans und Stiefeln mit einem ramponierten Cowboyhut auf dem Kopf, unter dem struppige schwarze Haare hervorlugten. Dennoch kam er Sam eher wie ein Mann als wie ein Junge vor.
Was nur zum Teil daher rührte, dass er ein Sturmgewehr über der Schulter trug.
»Aus Perdido Beach heißt es, dass Caine Orc dazu bringen will, die Leute von der Barriere wegzuholen«, sagte Edilio. »Damit sie wieder arbeiten.«
»Keine schlechte Idee«, meinte Sam.
»Nur dass es nicht klappt«, erklärte Dekka. »Orc traut sich nicht mal in die Nähe der Barriere. Er möchte nicht gesehen werden. Jedenfalls nicht so. Sie haben nichts mehr zu essen, nicht einmal mehr Kohl. Wenn Quinn nicht weiterhin fischen ginge, würden sie längst hungern. Wäre Albert kein so hinterhältiger Feigling, hätte ich gesagt, wir sollten ihn zurückholen.«
Dekka
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