Licht (Gone) (German Edition)
hatte nie jung ausgesehen. Sie war schon mit einer ernsten Miene zur Welt gekommen und im Laufe der Zeit immer abweisender geworden. Wenn sie sich – so wie jetzt – über etwas ärgerte, wurde sie regelrecht einschüchternd. Eine wütende Dekka war wie ein aufziehender Sturm.
Sie wechselte Thema und Tonfall, als sie jetzt sagte: »Von Brianna habt ihr wahrscheinlich schon gehört, oder?« Sie klang zwar immer noch gereizt, aber schon deutlich sanfter.
Dekka war über Brianna zwar noch nicht ganz hinweg, aber sie hatte für sich akzeptiert, dass Brianna ihre Gefühlenicht erwiderte. Die Verliebtheit mochte verflogen sein, aber die Liebe für das Mädchen war immer noch da.
»Oh ja, haben wir«, antwortete Astrid. »Ihr habt sie knapp verpasst.«
Edilio stand nicht der Sinn nach Small Talk. »Okay, lasst uns zur Sache kommen. Hier sind wir angreifbar. Wir wissen nicht, wohin Diana und ihr Freakshow-Baby verschwunden sind. Und auch nicht, welche Kraft Gaia hat – nur dass sie, wenn sie ein normales Kind wäre, längst tot sein müsste. Wir wissen nicht einmal, was sie will, worauf sie es abgesehen hat.« Er zuckte die Achseln. »Aber etwas anderes macht mir noch mehr Sorgen. Insgesamt sind wir an die zweihundertfünfzig Kids – verteilt auf den See und die Stadt. Mindestens die Hälfte ist jetzt unten am Highway. Sie hocken an der Barriere, winken und weinen und schreiben denen da draußen Nachrichten. Vor allem die Kleinen. Das Problem ist nicht nur, dass die Leute arbeiten müssten, um etwas zu essen zu haben. Sie sind alle an einem Ort versammelt und es ist keiner da, der sie beschützt.«
Astrid nickte. »Wie eine Zielscheibe.«
»Eine ziemlich große noch dazu«, sagte Dekka.
Sam schüttelte den Kopf. »Das ist Caines Territorium. Also ist mein Bruder dafür verantwortlich, nicht ich.«
»Stimmt, aber von unseren Leuten sind auch viele dort«, erwiderte Edilio. »Kids vom See. Fällt dir nicht auf, wie ruhig es hier ist? Sie haben sich zu Fuß auf den Weg gemacht. Sie wollen ihre Familien sehen.«
»An unseren Prioritäten hat sich nichts geändert«, sagteAstrid. »Die Leute müssen essen und wir müssen die aufhalten, die uns vernichten wollen.«
»Genau«, stimmte Edilio ihr zu. »Und deshalb brauchen wir einen Plan. Darauf zu zählen, dass Brianna die drei findet, reicht nicht.«
»Ich hatte gehofft, du hättest längst einen«, witzelte Sam, aber Edilio blieb ernst.
Sam kam es so vor, als wäre er in der Schule beim Herumalbern erwischt worden. Er richtete sich auf und senkte unbewusst die Stimme. »Edilio, du hast Recht. Was sollen wir tun?«
Irgendwann, wobei Sam gar nicht sagen konnte, wann genau, hatte Edilio aufgehört, seine rechte Hand zu sein, und war ihm ebenbürtig geworden. Niemand sagte ihm mehr, sie müssten »das erst mit Sam besprechen«. Edilio hatte inzwischen das Kommando übernommen, außer bei Kämpfen.
Sam hätte gar nichts Besseres passieren können. Ihm fehlte das Talent für die lästigen Details. Er war auch kein Manager. Und er fand es wunderbar, mit Astrid im Bett liegen zu können und nicht mehr das Gefühl haben zu müssen, die ganze Welt verlasse sich auf ihn. Als er ihr jetzt einen Blick zuwarf und den Riss an der Seite ihres ärmellosen T-Shirts sah und ihre irren Beine … Schluss damit! Er musste sich auf Edilio konzentrieren.
»Also gut. Erstens: Wir sollten uns auf das Schlimmste gefasst machen und uns darauf vorbereiten, solange wir noch Zeit dafür haben. Unser Vorrat an Nutella und Instantnudeln geht zur Neige. Ich möchte das, was noch da ist, auf ein Bootschaffen, wo es sicherer ist. Auch etwas von dem Gemüse, das Sinder anbaut – wenigstens die Dinge, die nicht so schnell verderben. Damit wir nicht wieder vor dem Nichts stehen. Daher gilt von jetzt an: Wer essen will, muss seinen Hintern auf die Felder bewegen und dafür arbeiten.«
Sam nickte. Der Himmel über ihnen war bewölkt. Es waren aber keine normalen Wolken. Etwas an der Art und Weise, wie sie sich bewegten, war merkwürdig: Es sah aus, als würden sie aus der Nähe betrachtet schneller vorübergleiten und weiter nördlich langsamer werden. Im Südosten wurde der Himmel dunkelblau. Das war alles Teil des Kuppeleffekts.
Die erst seit Kurzem durchsichtige FAYZ war eine Kugel mit einem Durchmesser von vierzig Kilometern und dem Kernkraftwerk als Mittelpunkt. Die Spitze der Kuppel befand sich somit zwanzig Kilometer über dem Kraftwerk. Von der Höhe her lag sie bereits über den
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