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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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mir könntest du alles haben. Und wer weiß, ob du mich nicht einmal notwendig brauchen könntest.«
    Anna warf einen Blick in seine lauernden Augen. Eine kalte Welle ging durch sie hindurch. »Wie meinst du das?«
    Er betrachtete seelenruhig den Brand seiner Zigarette in seinen Fingern, bis er die Augen wieder hob.
    »Genauso, wie ich es sage. Jeder Mensch kommt einmal in eine Situation, wo es ganz gut ist, wenn man den Loferer auf seiner Seite hat, oder, was noch besser wäre, wenn man mich zum Freund hätte.«
    Er weiß etwas, durchzuckte es sie. Man nannte ihn ja nicht umsonst den Schleicher. Vielleicht hatte er alles
    beobachtet und wusste genau, dass da in der Kammer der amerikanische Flieger Oliver Pratt lag.
    Loferer fasste ihr Schweigen verkehrt auf und dachte, dass seine Worte sie nachdenklich gemacht hätten. Eifrig fuhr er deshalb fort: »Wär nicht das schlechteste in dieser Zeit, Anna, mich als Freund zu haben. Könnte manches vertuschen.«
    Anna war blass geworden. Während er so redete, flogen hundert Bilder der Angst durch ihre Seele. Ein kurzes Stöhnen entrang sich ihr, aber sie verwischte es schnell wieder mit einem lauten Räuspern und sagte mit übertrieben festem Ton: »Ich hab nichts zu vertuschen!«
    »Wirklich nichts?«
    Das Lauernde in seiner Stimme trieb ihr kalten Schweiß auf die Stirn. Und wie immer in solchen Situationen ging der Zorn mit ihr durch, jener Zorn, hinter dem die kühle Bereitschaft stand, von allem die Konsequenzen zu tragen.
    »Wenn du was weißt, dann sag es doch! So sag es endlich! Was soll ich denn verbrochen haben?«
    Langsam zerdrückte er seine Zigarette im Aschenbecher. Dann fasste er nach ihrem Arm. »Du selber hast gar nicht so viel verbrochen. Aber auch die Mithilfe ist strafbar. Dein Vater hat ein Kriegswirtschaftsverbrechen begangen. Er ist in meiner Hand.«
    Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Er wusste also nichts von Oliver Pratt. Mit einem Ruck riss sie sich von ihm los.
    »Mein Vater? Der Bauer vom Goldenen Grund? Was soll denn der verbrochen haben?«
    »Jawohl, der Bauer vom Goldenen Grund. In normalen Zeiten ist es ja nichts Schlimmes. Jetzt aber nennt man Schwarzschlachten ein schweres Verbrechen. Drei Jahre Zuchthaus, wenn nicht mehr, stehen darauf. Du weißt doch, dass er eine Dreizentnersau schwarzgeschlachtet hat.«
    Also das war es. Anna nahm einen Lappen vom Herd und wischte damit den Tisch ab. Sie brauchte diese kurze Zeit, um sich zu fangen.
    »Das müsstest du erst beweisen.«
    »Kann ich, kann ich. Ihr hättet das Fenster im Waschhaus besser verdunkeln müssen«, log er. »Ich hab euch zugesehen. Also, was sagst jetzt?«
    Anna tappte in die Falle, so wie vor ein paar Tagen schon Emma in die Falle gegangen war. Nun, da sie aber wusste, worum es ging, kam eine kalte Ruhe über sie.
    »Was ich dazu sage? Nichts! Ich kann dich höchstens fragen, wie teuer dein Schweigen ist. Der Vater wird nicht kleinlich sein. Also, wie viel soll es sein? Hundert Mark?«
    Urban Loferer lächelte, wie man über ein Kind lächelt, das etwas Verkehrtes gesagt hat.
    »Schau ich aus wie einer, der Geld braucht?«
    »Zweihundert?«, fragte Anna unerbittlich weiter.
    »Da schau her, so viel ist dir das wert? Na ja, es wär kein schlechter Tausch, zweihundert Mark oder drei Jahre Zuchthaus. Aber was soll ich denn mit dem Geld. Ich pfeif dir drauf. Du – ja du müsstest deinen Stolz ein bissl biegen. Dich will ich haben. Bloß einmal im Arm haben. Ich bin ja ganz verrückt nach dir.«
    Diesmal war sein Griff so eisern, dass sie sich nicht so leicht losreißen konnte. Ihre Augen waren ganz schmal vor ohnmächtigem Zorn.
    »Du weißt, dass ich dem Thomas versprochen bin.«
    »Geh, was willst denn mit dem Krüppel! Der kann dich ja nicht einmal mehr richtig umarmen. Schau – so wie ich dich umarmen kann.«
    Er presste seine Hände hinter ihren Schulterblättern zusammen. Sie konnte kaum atmen, so hart war sein Griff. Aber endlich brachte sie ihren rechten Arm zwischen seine und ihre Brust. Mit aller Kraft stieß sie ihn zurück, dass er krachend auf die Bank zurückfiel.
    »Schau, dass du weiterkommst! Mir graust vor dir!«
    Aschfahl im Gesicht richtete er sich auf.
    »Das muss ich mir merken. Du hättest es in der Hand gehabt. Jetzt kann dein Vater sich bei dir bedanken, wenn er im Loch schmort.«
    Anna war auf einmal ganz ruhig, ganz gefasst. Blitzschnell hatte sie ein Gedanke angeflogen. »Tu, was du nicht lassen kannst. Sonst hättest du ja deinen Namen Schleicher

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