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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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einem Ruck drehte sie den Kopf und wurde flammend rot.
    Auf der Schwelle der Kammertür stand Oliver Pratt. Sie brachte die Bilder nicht mehr rechtzeitig in die Brieftasche zurück. Langsam kam Oliver Pratt heran, Schritt für Schritt, gerade, als wolle er ihre Verlegenheit auskosten. Als er vor ihr stand und das Bild in ihrer Hand sah, ging ein wehes Lächeln um seinen Mund.
    »Meine Schwester Ellen«, sagte er, nahm Anna das Bild aus der Hand und drehte es um, um sie die Widmung lesen zu lassen. Anna konnte es nicht lesen, weil es englisch geschrieben war.
    »Willst du die Brieftasche nicht wieder zu dir nehmen?«, fragte sie, nur um etwas zu sagen.
    »Ich weiß nicht, was besser sein wird«, meinte er.
    Sie schloss die Brieftasche sorgfältig. Dann schaute sie zu ihm auf. »Wie geht es dir jetzt?«
    »Viel besser. Nur die Zeit ist mir davongelaufen. Wie lange bin ich eigentlich schon hier?«
    »Seit gestern Nachmittag.«
    »Was? Gestern soll das alles erst gewesen sein? Ich dachte, das läge schon mindestens eine Woche zurück. Aber jetzt erinnere ich mich wieder langsam an alles.«
    »Setz dich doch«, forderte Anna ihn auf. »Zum Nachdenken hast du noch Zeit genug. Ich werde dir jetzt etwas zu essen herrichten. Du musst wieder zu Kraft kommen.«
    »Ja, danke. Übrigens, in meinem Anzug müsste noch Schokolade sein. Nimm sie dir, bitte. Etwas anderes kann ich dir für deine große Mühe auch nicht geben.«
    Anna wandte rasch den Kopf vom Herd zurück.
    »Sprich nicht von Mühe«, sagte sie und zog ein paar Ringe vom Herd weg.
    Einen Augenblick beleuchtete die Glut des hochzüngelnden Feuers ihr Gesicht und Oliver Pratt wurde zum ersten Mal bewusst, wie schön sie war. Er betrachtete sie, als sie die Pfanne über das Feuer schob, einen Brocken Butter hineinwarf und dann einen Teig anrührte. Plötzlich fragte er:
    »Warum tust du das alles für mich? Ich bin dir doch fremd und – wir müssten eigentlich Feinde sein.«
    »Feinde? Du hast mir doch nichts getan.«
    »Immerhin habe ich dir viel Unannehmlichkeiten bereitet. Ich werde nie fertig werden, mich zu fragen, warum du mir so geholfen hast.«
    »Hätte ich dich vielleicht draußen liegen lassen sollen?«
    »Manchmal wäre es besser, tot zu sein«, antwortete er. »Ich meine jetzt, wenn man in eine solche Lage gerät wie ich. Was bin ich denn jetzt noch? Ein Gefangener!«
    Anna schüttete jetzt den Teig in die Pfanne. »Ist es denn so schlimm, mein Gefangener zu sein?«
    »Dein Gefangener? Nein, das wäre auszuhalten. Aber ich weiß jetzt wieder alles. Dein Vater war doch da? Und er wird melden, dass ich hier bin.«
    »Hattest du den Eindruck?«
    »Es wird ihm wohl nichts anderes übrig bleiben. Es ist schließlich seine Pflicht. Wir würden drüben in Amerika nicht anders handeln können.«
    »Wirklich?« Sie sah ihn lange an. »Du würdest also mich ohne weiteres der Polizei bei euch übergeben, wenn es umgekehrt wäre?«
    Um seinen Mund war wieder dieses bubenhafte Schmunzeln. »Das ist ein schlechter Vergleich. Es gibt noch keine Flugzeuge, die bis zu uns hinüberkämen.«
    »Du weichst meiner Antwort aus. Ich möchte von dir wissen, ob du mich ausliefern würdest.«
    Er wurde ein wenig rot. »Ich weiß es nicht. Es ist vielleicht – eine Sache des Gefühls.«
    »Das wollte ich wissen.«
    »Immerhin kannst du nicht leugnen, dass ich dich in eine gefährliche Situation gebracht habe.«
    Anna stocherte eifrig in der Pfanne. »Reden wir nicht davon. Ich glaube, dass du ohne Angst sein kannst. Er wird dich nicht melden. Er ist mein Vater.«
    Der Schmarren war jetzt fertig. Sie stellte die dampfende Pfanne auf den Tisch, gab ihm einen Löffel und stellte ein Glas mit kalter Milch dazu.
    »Das musst du jetzt alles aufessen. Danach reden wir weiter.«
    Aber es gab danach gar nicht so viel zu reden. Während des Essens saß Anna ihm gegenüber, den Kopf in beide Hände gestützt, und sah ihm zu, wie er diese für ihn doch sicherlich fremde Kost mit wahrem Heißhunger verzehrte. Sie bedachte dabei, dass er ohne sie wahrscheinlich da draußen verblutet wäre, dass er jetzt schon starr wäre und ohne Leben. Ich habe ihn am Leben erhalten, sinnierte sie weiter. Er müsste jetzt eigentlich mir gehören, ich habe ihn gefunden und darf ihn nicht aus den Händen geben. Also gehört er mir.
    Dann kam es ihr vor, als sei ihr sein Gesicht schon viele Jahre vertraut, als habe er immer schon hier gesessen. Und auf einmal war die Angst wieder da, dass sie morgen kommen und ihn

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