Licht vom anderen Ufer
ihn suchen.«
»Du hast gehorcht?«
»Die Tür war nur angelehnt. Ich hab jedes Wort verstanden. Ich hab deiner Meinung nach falsch gehandelt. Wirst du jetzt richtig handeln, Vater?«
Der Rauscher schwieg eine Weile. Dann brach es in verhaltenem Groll aus ihm heraus: »Dass aber auch ausgerechnet dir das passieren muss. Hätte der Fallschirm nicht woanders niedergehen können? Aber ich weiß schon, grad das, was man nicht will, wird einem zugeschoben. Wie man damit fertig wird, danach fragt niemand. Weiß überhaupt jemand was davon?«
»Ja, die Kräuter-Burgl.«
»Die ist verlässlich. Gott sei Dank. Vielleicht geht doch noch alles gut aus. Es ist ja nichts Schlechtes, was du tust.«
»Nein, nur Menschliches. Wer weiß, ob nicht hundert andere auch so handeln würden.«
»Täusch dich nicht, Anna. Es gibt nicht mehr so viel Hilfsbereitschaft unter den Menschen. Das Gewissen ist bei manchem abgebröckelt wie der Mörtel von einem alten Bauwerk. Und die Angst treibt manchen zu etwas, was er sonst nicht tun würde. Aber wollen wir hoffen, dass alles gut vorbeigeht. Hilf mir einspannen, damit ich heimkomme. Hast du die Sachen hergerichtet, die ich mitnehmen muss?«
»Ja, es ist alles hergerichtet. Und was ich noch sagen wollte, Vater. Gib mir die Brieftasche.«
»Warum das? Meinst du, bei dir war sie besser aufgehoben? «
»Kann sein, Vater. Gib sie mir nur. Und meinst du -dass der Federl nicht ein Auge zudrücken würde, wenn er dahinterkam, dass ich den Flieger versteckt hab?«
Der Rauscher schnallte den Bauchgurt am Geschirr
des Haflingers enger. »Der Federl war ja nicht der Schlimmste. Aber seit heute früh haben andere die Fahndung übernommen. Aus der Stadt sind drei oder vier Scharfmacher hergekommen und wie man hört, wollen sie die Genesungskompanie, die in Albach liegt, auch noch zuziehen. Die sollen die Wälder durchstreifen. Vermutlich werden sie heute kaum mehr so weit heraufkommen. Sie haben nämlich unten angefangen mit dem Durchsuchen und stellen jedes Haus auf den Kopf. Ich rechne damit, dass sie morgen ins Gebirg heraufkommen werden. Bis morgen kann aber vielleicht der da drinnen wieder soweit beieinander sein, dass er abhauen kann. Gib ihm nur anständig zu essen, dass er wieder zu Kraft kommt. So – und jetzt behüt dich Gott, Kind. Verlier nur die Nerven nicht, wenn sie kommen. Vielleicht wird doch noch alles recht. Weit können ja die Amerikaner nicht mehr weg sein.«
»Ich hab der Emma gesagt, sie soll mir ein Blinkzeichen geben mit der Taschenlampe, vom Kirchbergl aus, wenn die Luft rein ist.«
Erschrocken hob der Rauscher den Kopf. »Das ist gefährlich. Hast du ihr denn gesagt, dass -?«
Anna schüttelte den Kopf. »Natürlich hab ich ihr nichts gesagt.«
Als der Rauscher mit dem Fuhrwerk im Wald verschwunden war, wurde es Anna wieder recht bang. Nachdenklich sah sie den Kahlschlag hinunter und sah den Kirchturm wie eine weiße Säule aufragen, auf deren Spitze etwas flimmerte. Dann wandte sie den Blick hinauf zu den Bergen. Kleine, flaumige Schäferwölkchen schwammen friedlich über ihnen und der Südwind wehte warm durch den breiten Taleinschnitt. In seinem Atem lagen alle Düfte des erwachten Frühlings und einmal kam schrill der Pfiff eines Murmeltieres vom Kar herunter.
Anna merkte, dass sie wieder ganz ruhig wurde. Ruhig und entschlossen. Sie hatte A gesagt, nun musste sie
auch B sagen. Nur durfte sie dabei die Hände nicht müßig in den Schoß legen und ruhig warten, bis sie kamen, um ihn festzunehmen. Er musste versteckt werden, und zwar so, dass sie ihn nicht fanden. Mit glühendem Eifer überlegte sie und stand für Minuten in lauernder Gespanntheit da, so, als horche sie tief in sich hinein und erkenne plötzlich, dass sie um sich selber überhaupt keine Angst hatte, sondern nur mehr um ihn, den fremden Flieger. Sie durften ihn unter keinen Umständen finden.
Dann wusste sie auf einmal auch, was sie zu tun hatte. Sie warf nur noch einen Blick in die Kammer. Oliver Pratt sah ihr gespannt entgegen.
»Kommst du schon, um mich fortzuschicken?«
Er sah sie zum ersten Mal lächeln. Tapferkeit und feste Entschlossenheit lagen in diesem Lächeln.
»Nein, ich komme, um dir zu sagen, dass du jetzt etwas essen musst. Ich werde dir sofort etwas bringen.«
Sie rückte den Stuhl an sein Bett, stellte einen vollen Krug mit Milch hin, strich ihm ein paar Butterbrote und schnitt ein Stück Rauchfleisch in kleine Stücke.
.Gierig griff er nach dem Krug mit der Milch und
Weitere Kostenlose Bücher