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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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dass sie einen Fremden so sehr liebte, dass sie für ihn gestorben wäre.
    Das ganz allein war es ja, das ihn so ins Dunkel trieb. Dies, und dass sie meinte, diese Liebe würde nie zu Ende gehen. Falls sie es anderen auch erzählte, würde man es wahrscheinlich nicht glauben, weil kein anderer die Anna Rauscher so kannte wie er. Sie sagte heute nicht etwas, um es morgen zu widerrufen.
    Im Dorf machte man sich über sie lustig. Oh, es kam ihm dies und jenes zu Ohren. Die Peitsche des Spottes schwang über dem Mädchen vom Goldenen Grund, die ihren Platz für die neue Bäuerin hatte freimachen müssen und nun nur noch eine bessere Magd war.
    Die Herde verschwand im Wald, immer verschwommener wurde das Geläut, und erst als es ganz verstummte, stand Thomas auf und ging zurück ins Sägewerk, obwohl es auch dort nichts für ihn zu tun gab. Zwei mächtige Baumstämme waren eingespannt, die Gatter liefen und er konnte höchstens dabeistehen und zusehen, wie sich die Zähne kreischend durch das Fleisch des Baumes fraßen.
    Er nahm das Ölkännchen, schmierte die Transmissionen und schaute auf die Uhr. Eine gute Stunde etwa, dann würden die Stämme durchgelaufen sein. Draußen lagen bereits ein paar neue und bis zum Abend würden es vielleicht acht Stück sein, die zu Brettern geworden waren, wo es leicht zwanzig sein könnten bei einer moderneren Anlage, wie sie ihm vorgeschwebt hatte. So lohnte es sich ja kaum und es kam wenig Verdienst dabei heraus.
    Danach ging er hinüber ins Haus, das am anderen Ufer der Riss lag und zu dem ein eiserner Steg hinüberführte. In der Stube öffnete er das kleine Wandschränkchen, nahm die Flasche mit dem Zwetschgenschnaps heraus und setzte sie an den Mund.
    In diesem Augenblick betrat die Sägemüllerin die Stube. Wortlos ging sie auf ihn zu und nahm ihm die Flasche aus der Hand.
    »Hast du sie gesehen, das Luder?«
    Thomas wollte auffahren. Aber wozu? Er war der Streiterei längst müde geworden.
    Die Sägemüllerin war eine resolute Frau und hatte es schon auf alle mögliche Art versucht, ihm klarzumachen, dass so eine es doch nicht wert sei, hinter ihr her zu seufzen.
    »Meinst, ich hab dich nicht sitzen sehen an der Riss, als sie vorbeigezogen ist. Bist denn du noch ein Mannsbild? Und dann die Schnapsflasche. Eine andere Rettung weißt du wohl nicht. Wo soll denn das noch hinführen?«
    »Irgendwo wird es schon hinführen«, antwortete er.
    »Ich versteh nicht – «
    »Nein, das verstehst du nicht«, unterbrach er sie schroff, weil er schon wusste, was wieder kommen würde.
    »Kommst du denn überhaupt nicht los von dem Frauenzimmer? «
    »Ich hab dir ja gesagt, dass du das nicht verstehst.«
    »Nein, das versteh ich nicht. Du kannst doch zehn andere haben. Anständige Mädel, die nicht so sind wie die Rauscher Anna.«
    »Wie ist sie denn?«, schrie er. »Wer weiß denn etwas Genaues? Die Klatschmäuler reden viel, wenn der Tag lang ist, und es muss noch lang nicht alles wahr sein.«
    »Warum hast dann du dich von ihr zurückgezogen, wenn es nicht wahr ist?«
    Thomas glotzte seine Mutter dumm an. Was sollte er darauf antworten? Er wusste, dass es ihr Wunsch war, dass er die Stiegloher Evi heirate. Aber wenn er die Evi betrachtete, die zuweilen am Sonntagnachmittag in der Sägemühle unter nichtigen Vorwänden aufkreuzte, dann schob sich unwillkürlich Annas Erscheinung daneben und es war ihm zumute wie einem ausgehungerten Sträfling, dem man einen Schweinsbraten mit Kartoffelknödeln und daneben eine dünne Brotsuppe hinstellte, und der nun wählen solle, was ihm lieber sei.
    Weil er keine rechte Antwort wusste, drehte er sich um und ging hinaus.
    Thomas hatte mit seiner Vermutung schon Recht. Es kam mancher auf die Alm und versuchte, diesem noch strenger gewordenen Mädchengesicht ein Lachen zu entlocken. Aber es schien, als habe Anna das Lachen verlernt. Der Zeißler Vinzenz zum Beispiel sagte ihr ganz offen, dass ihm das Gerede, das über sie ginge, gar nichts ausmache und er machte ihr den eindeutigen Antrag, sie solle aus ihrer Lage das Bestmögliche herausschlagen und nicht so allein neben dem Leben und diesem herrlichen Sommer herlaufen.
    Die Anna begriff nicht, dass ein Mensch ihr ein Anerbieten machen konnte, das nur für Stunden Geltung haben sollte. »Ich habe nicht im Sinn zu heiraten«, antwortete sie.
    Da konnte der Vinzenz so herzlich lachen, als habe er soeben einen vortrefflichen Witz gehört. »Hab ich vielleicht etwas vom Heiraten gesagt?«
    »Wie hättest du es

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