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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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sonst meinen können?«
    Er sagte ihr in ganz derber Offenheit, wie er es meine. Da wusste Anna, was alle über sie dachten, und Vinzenz war schneller aus der Almhütte hinaus, als er hereingekommen war.
    So ging der Sommer dahin. Immer noch wartete Anna, dass der Vater einen Brief bringen würde. Einen Brief von Oliver. Es kam weder ein Brief noch sonst ein Zeichen, das Anna aus ihrer Erstarrung erlöst und einen glücklichen Schimmer in ihre Augen gezaubert hätte.
    In diesem Sommer fanden Bergsteiger in einer Spalte ein menschliches Skelett, von dem es dann hieß, dass dies einmal der Schleicher gewesen sei, der über das Gebirge gewollt hatte, zu einer Zeit, wo es für einen ungeübten Kletterer noch lebensgefährlich war.
    Ja, es war tatsächlich der Schleicher und hinter seinem Sarg ging kaum ein Dutzend Menschen. Darunter die Emma Brommesberger, die als einzige weinte. Aber das hatte nicht viel zu bedeuten, denn die Emma weinte um jeden, der da auf dem kleinen Bergfriedhof begraben wurde, auch wenn sie ihn nur flüchtig gekannt hatte. Dabei war Emma in dieser Zeit recht glücklich, denn der Hausknecht Alois von den »Vier Aposteln« hatte längst durchblicken lassen, dass man eventuell bald heiraten könnte. Dieser Entschluss war bei seinem Phlegma geradezu heroisch und vielleicht trieb ihn zu diesem Schritt mehr seine Trägheit als die Liebe selber, denn er hatte längst erfasst, dass die Emma keine schlechte Partie mehr war. Ihr Geschäft blühte und der Alois sonnte sich in Emmas Erfolg nach dem Grundsatz: Die Hauptsache ist, dass man gesund ist und die Frau ständig ihre Arbeit hat.
    Eines Tages kam statt des Vaters Matthias mit dem Almkarren auf die Hochalm.
    »Warum kommst du heut?«, fragte Anna und die Enttäuschung klang deutlich in ihrer Stimme.
    Matthias war jetzt der Bauer vom Goldenen Grund und wollte das der Schwester auch zeigen. »Warum, passt es dir nicht, wenn ich komm?«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    »Der Vater ist nicht gut beieinander.«
    Anna erschrak. »Krank?«
    »Nicht direkt, aber – er ist einfach nicht gut beieinander. Der Doktor meint, die Leber ist’s. Vielleicht passt ihm das schöne Leben nicht, das er jetzt führt.«
    Anna legte nachdenklich den Kopf zurück. Dann nickte sie: »Das kann sein. Der Vater hat sein Leben lang einfach gelebt und gearbeitet. Aber jetzt habt ihr ihn zum Alten gestempelt und mästet ihn mit lauter Leckerbissen. Das kann ihm nicht gut tun.«
    Matthias knurrte etwas und zündete sich eine Zigarette an. »Ich möcht dich nicht hören, wenn wir ihn schlechter hielten. Da wärst du die erste, die ’s Maul aufreißt. Wie man’s macht, ist’s verkehrt.«
    »Das hab ich nicht gemeint. Aber mir ist der Hochtaler eingefallen, von dem man auch gesagt hat, dass die Schwiegertochter ihn auf dem Gewissen hat, weil sie ihn zu Tod gefüttert hat.«
    »Wie man nur so etwas Blödes daherreden kann«, schrie Matthias sie an. »Dem Hochtaler seine Zeit war aus und da kann man nichts machen.«
    »So abwegig ist meine Meinung gerade nicht. Ich hab mir in letzter Zeit schon öfter Gedanken darüber gemacht. Der Vater ist so dick geworden und war oft ganz außer Atem, wenn er auf die Alm gekommen ist.«
    »Jeder Mensch setzt zu seiner Zeit den Altersspeck an. Das ist einmal so im Leben. Aber jetzt halt mich nicht länger auf. Ich muss wieder heim.«
    Ungefähr einen Zentner Butter hatte Anna ihm mitzugeben. Aber das war ihm zu wenig. »Ist das alles für eine Woche?«
    »Ist das vielleicht nicht genug?«
    »Mir kommt es wenig vor. Hast du wieder Milch ausgeschenkt?«
    »Soll ich vielleicht einen Durstigen fortschicken, wenn er vorbeikommt und um ein Glas Milch bittet?«
    »Wenn einer Durst hat, soll er Wasser trinken. Also, wie viel hast da wieder verschleudert?«
    »So genau weiß ich’s nicht. Vielleicht zwanzig Liter, oder dreißig.«
    Matthias bekam ganz entsetzte Augen. »Ja, bist denn du narrisch? Weißt denn du, was man heutzutag für dreißig Liter Milch kompensieren kann?«
    »Genau neun Mark, wenn man den Liter zu dreißig Pfennig berechnet«, antwortete Anna und merkte, wie ihr nach langer Zeit wieder einmal das Lachen ankommen wollte, als sie die trostlose Miene des Bruders sah.
    »Ich glaub gleich gar, du bist so dumm und gibst den Liter für dreißig Pfennig her.«
    »Jawohl, ich bin so dumm.«
    »Schon mehr als dumm. Hast du wenigstens genau Buch geführt darüber?«
    »Das hab ich bis jetzt noch nie gebraucht.«
    Matthias hatte gerade den

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