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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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hatte? Der Rauscher fragte nicht danach, er mochte sie gern und wurde dick und fett dabei. Fett und träge.
    O ja, die Cilli verstand es schon. Da sah sie ihn zum Beispiel vom Küchenfenster aus, wie er drüben unter dem Schuppendach schweres Buchenholz aufsammelte. Zuerst schaute sie ihm zu, dann öffnete sie das Fenster.
    »Vater, jetzt kann ich dir nicht mehr länger zuschauen, wie du dich abplagst. Kommt zu mir herein, ich hab was für dich.«
    Sie setzte ihm Tee mit Rum vor und feines Buttergebäck. Nebenbei hantierte sie am Herd. Es war gut ihr zuzusehen, weil sie flink und gewandt war.
    »Es muss doch nicht sein, dass du dich so plagst«, sagte sie dann. »Das Holz kann doch auch der Matthias aufschichten oder der Blasius.«
    »Na ja, ein bissl muss ich mich doch noch rühren«, meinte er. »Müßiggang ist aller Laster Anfang.«
    »Als ob du Laster hättest«, lachte die Cilli und strich ihm über das Haar.
    »Wart nur, vielleicht krieg ich noch meine Laster. Wo steckt denn eigentlich die Anna?«
    »Hinterm Stadel ist sie, beim Holzhacken. Magst noch einen Tee, Vater?«
    Sie wartete seine Antwort erst gar nicht ab und schenkte ihm noch mal ein. Er betrachtete sie eine Weile nachdenklich. Dann sagte er:
    »Wie lang seid ihr jetzt verheiratet?«
    »Zwei Monate sind es schon wieder. Wie bloß die Zeit vergeht.«
    »Und, werd ich schon bald Großvater?«
    Die Cilli konnte sich fast ausschütten vor lauter Lachen. »So pressiert es doch nicht.«
    Der Rauscher schüttete Rum in seinen Tee und sagte scherzhaft: »Manchmal denk ich mir, ob so ein Krischperl wie du mich überhaupt zum Großvater machen kann.«
    »Wart nur, du kannst deine Enkel noch früh genug schaukeln. Wie schmeckt dir denn das Spritzgebackene?«
    »Ganz gut ist das.«
    Ja, der Rauscher konnte alles von ihr haben. Aber andere bekamen nichts mehr im Goldenen Grund, der bisher dafür bekannt war, dass keiner umsonst anklopfte, der in Not war und Hunger hatte. Ein Liter Milch oder ein paar Eier waren immer zu haben gewesen. Jetzt war Schluss damit. Nicht, dass Cilli die Hamsterer unfreundlich abgefertigt hätte. Sie hatte auch da ihr Lachen bereit, wenn sie wie nach einer eingelernten Formel herunterleierte, dass man so viel abzuliefern habe und sie selber manchmal nicht wisse, was sie kochen solle. Anders war es, wenn vielleicht einer seinen Koffer aufmachte und Schmuck oder Anzugstoffe zu bieten hatte. Bald genügten ihr aber auch diese Dinge nicht mehr. Drei teure Radioapparate standen bereits in der guten Kammer oben, und nun hatte sie einen Kühlschrank in Aussicht. O ja, mit ihr kam der Aufschwung, mit dieser gertenschlanken Cilli. Sie war wie vom Glück berauscht, wenn sie handeln konnte, »kompensieren« hieß das neue Wort dafür. Sie war wie besessen, dem Goldenen Grund eine andere Bedeutung zu geben, als er bisher hatte, denn an den goldenen Sarg glaubte sie nicht. Er müsste doch längst einmal gefunden worden sein, denn gegraben hatte man oft genug danach.
    Es schien so, als ließe ihr Mann sie schalten und walten. In Wirklichkeit stand er im Hintergrund. Sie sprachen alles miteinander ab, ihre Lust am Kompensieren passte wunderbar zu seiner Gier, die Cilli handelte ganz in seinem Sinn.
    Da der alte Rauscher von den beiden in allem fein überspielt wurde, zollte er dieser tüchtigen Schwiegertochter sogar eine Art stille Bewunderung. Er war träge geworden, er überblickte die Dinge nicht mehr. Aber Anna überblickte sie und die Cilli wusste, dass die Schwägerin mit einem heftigen Misstrauen alles beobachtete, soweit sie dazu in der Lage war.
    Einmal sagte sie: »Ich weiß nicht, Cilli, ob das Glück bringt.«
    »Wie meinst du das, liebe Schwägerin?«
    Die Cilli vergaß nie, das »liebe« voranzusetzen, wenn sie mit Anna sprach.
    »Ich meine, dass es doch nicht ganz ehrlich verdient ist.«
    »Wer fragt heute schon groß nach Ehrlichkeit, liebe Schwägerin? Man muss nur die Zeichen der Zeit verstehen und sie nutzen.«
    »Und du nutzt sie.«
    »Weil man nicht weiß, wie lange das dauert. Aber weil wir uns grad unterhalten, liebe Schwägerin, manchmal hab ich das Gefühl, als könntest du mich nicht leiden.«
    Anna warf den Kopf zurück mit jener Art von Trotz, den man ihr als Hochmut auslegte. Sie war sich nicht ganz klar darüber, wie sie die Frage beantworten sollte.
    »Woraus schließt du das?«
    »Ich hab das so im Gespür. Aber du musst zugeben, dass ich mir doch alle Mühe gebe, und du kannst nicht das Gefühl haben, unter mir zu

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