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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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und humpelte in die Hütte. Anna folgte ihr und sah
    ihr dann über die Schulter hinweg zu, wie die Burgl mit ihrer zittrigen Schrift an den Bauern Balthasar Ruderer in Aich, Post Friedham, schrieb, ob er nicht eine außerordentlich tüchtige und verlässliche Magd brauche.
    »Ich schau am Sonntag wieder nach«, sagte Anna. »Vielleicht ist bis dahin schon eine Antwort da. Und einstweilen vielen Dank, Burgl. Vielleicht kann ich es dir irgendwie einmal lohnen.«
    Die Antwort war bereits am Donnerstag da. Zunächst nannte der Ruderer von Aich die Burgl seine viel geliebte Cousine, obwohl sie das dem Verwandtschaftsgrad nach gar nicht war. Dann drückte er in seinen Zeilen einen starken Zweifel aus darüber, ob denn das auch auf Wahrheit beruhe, was sie ihm geschrieben habe, denn er könne sich nicht vorstellen, dass man in dieser Zeit tatsächlich noch jemand finden könnte, der Bauernarbeit tun möchte. Wenn dem aber so sei, so könne die Betreffende sofort bei ihm eintreten. Er bezahle sie bestens und die Behandlung, vielleicht wisse das die viel geliebte Cousine noch, sei in Aich auch gut. Wenn die Betreffende wirklich so tüchtig sei, wie sie schreibe, so werde er sich für die Vermittlung selbstverständlich erkenntlich zeigen. Sie möge ihm doch gleich schreiben, was sie am nötigsten brauche, dann werde ein Paket an sie abgeschickt.
    Anna war nicht die Angestellte ihres Bruders Matthias. Sie war immer noch die Tochter des Hauses und konnte tun und lassen, was sie wollte, konnte gehen, wann es ihr beliebte, oder sie konnte dableiben. Da sie sich aber zu Ersterem entschlossen hatte, war es ihr geradezu eine Wonne, Matthias am Sonntagmorgen vor dem Kirchgang zu sagen:
    »Morgen geh ich.«
    Matthias rasierte sich gerade vor dem Spiegel und fuhr so heftig mit dem Gesicht herum, dass er sich in die Wange schnitt.
    »Was hast du gesagt?«
    »Dass ich morgen geh.«
    »Wohin?«
    »Das ist meine Sache.«
    Es war, als begriffe er jetzt erst ganz, worum es ging. Sich mit dem Handtuch das Blut wegtupfend, riss er die Tür auf und schrie in den Gang hinaus:
    »Cilli, komm einmal herein.«
    Die Cilli kam, sah, dass er an der Wange blutete und sagte: »Dort liegt Heftpflaster.«
    »Ach was, um das geht es jetzt nicht. Stell dir vor, sie will fort.«
    Die Cilli verplapperte sich und fragte: »Jetzt schon?«
    »Ja, jetzt schon«, antwortete Anna fest. »Ich glaube es schon, dass es euch nicht recht passt, dass ich euch nicht bis zu Lichtmess den Trottel mach. Dann könnte ich ja sowieso gehen. Der Matthias hat das am letzten Sonntag deutlich durchblicken lassen. Aber bevor ich mir von euch die Schuhe vor die Tür stellen lasse, geh ich selber.«
    »Und wer soll dann die Arbeit tun, bis wir jemand haben?«, fragte Matthias gereizt.
    Da fand die Cilli ihr Lachen wieder. »Aber Matthias, reg dich doch nicht auf. In der Zwischenzeit hol ich mir meine Schwester zum Aushelfen. Lass sie doch gehen, wenn sie gern geht. Dann brauchen wir ihr kein Christkindl mehr zu kaufen.«
    »Da hast auch wieder Recht«, sagte Matthias. Und zu Anna gewendet: »Geh nur, es hält dich niemand auf.«
    Und so ging sie. Zunächst in die Kirche. Am Nachmittag packte sie ihre Sachen zusammen, die sie knapp in zwei schweren Koffern unterbringen konnte, die sie einstweilen zur Burgl in die Waldhütte trug.
    Am andern Tag, noch bevor es hell wurde, verließ sie nur mit einem Rucksack bepackt den Goldenen Grund.
    Der Rudererhof in Aich war nicht viel kleiner als der Hof im Goldenen Grund.
    Der Ruderer war ein Mann Mitte vierzig, mittelgroß
    und hager, mit einer ausgeprägten Hakennase und einem kurzen, angegrauten Schnurrbart darunter. Seine Augen waren hell und still. Sie leuchteten nur einmal kurz auf, als Anna Rauscher ihm die Hand gab und sagte, dass sie die neue Magd sei. Was er dabei dachte, sagte er ihr nicht, das sagte er erst seiner Frau am Abend.
    »Ein verdammt schönes und stolzes Frauenzimmer«, meinte er.
    Die Ruderin langte nach seiner Hand und hielt sie eine Weile fest in der ihren.
    »Ich hab ihr in die Augen geschaut«, sagte sie, »und weiß, dass ich vor ihr keine Angst zu haben brauche.«
    »Ah so«, lachte er. »Was ihr Frauen gleich immer denkt. Hab ich vielleicht schon einmal eine andere angeschaut außer dir?«
    »Das weiß ich nicht, Balthasar, und ich trau es dir auch gar nicht zu. Meistens sind es ja die Frauen, die euch schöne Augen machen. Aber bei der Anna, wie gesagt, da habe ich keine Angst. Was sie wohl von daheim fortgetrieben

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