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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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hat?«
    »Da wollen wir lieber nicht fragen, Berta. Wenn sie es uns selber sagt, ist es recht. Die Hauptsache ist, dass sie arbeiten mag. Verstehen tut sie was von der Bauernarbeit, das hast du ja gesehen beim Melken heut Abend.«
    »Der Kleidung nach muss sie aus einem guten Haus stammen«, rätselte die Frau.
    »Ach ja«, erinnerte sich der Ruderer. »Da muss ich jetzt morgen gleich einmal schaun, ob der Brumhuber Franzi mit seinem Lastwagen nicht in den nächsten Tagen in die dortige Gegend kommt. Sie sagt, dass sie noch zwei Koffer bei der Burgl in der Hütte untergestellt hat.«
    Die Ruderin war eine ruhige, besonnene Frau, die gerade zum zweiten Mal schwanger war. Sie war der neuen Magd vom ersten Augenblick an gewogen. Des Weiteren war noch ein alter Knecht, der Girgl, auf dem Hof und ein sechzehnjähriges Bürscherl, der Anderl, der Anna bei der Stallarbeit zur Hand gehen musste. Dann war noch die zweijährige Gretl da, das erstgeborene Kind der Rudererleute, das Anna sofort in ihr Herz schloss. Es war ein herziges Kind, weißblond und helläugig wie der Vater.
    Soweit Anna es nach den ersten Tagen einschätzen konnte, herrschte auf dem Hof eine herzliche Atmosphäre. Sie stürzte sich bewusst, und weil es anders auch gar nicht ihre Art gewesen wäre, in die viele Arbeit, die sich angehäuft hatte, denn vor einem halben Jahr hatte die Magd geheiratet, und seitdem musste die Ruderin ganz allein dem großen Hauswesen vorstehen.
     
    Ja, viel Arbeit hatte auf Anna gewartet und das war ganz gut so. Dann konnte sie nicht so viel nachdenken. Sie wollte durch nichts mehr an daheim erinnert werden, auch nicht an Thomas Staffner, von dem sie insgeheim immer gehofft hatte, dass er ihr vielleicht ein Freund bleiben möge.
    Und doch konnte sie es nicht verhindern, dass besonders in der ersten Zeit das abendliche Glockenläuten von Friedham herauf die Erinnerungen wieder wach rief. Die Glocke hatte einen ähnlichen Ton wie jene in Blockstein, die man während des Krieges versteckt gehabt hatte. Durch diesen vertrauten Glockenklang wurde sie an die Heimat erinnert, die sie doch vergessen wollte.
    Eines Abends nun saß Anna etwas länger als sonst in der Stube. Das Greterl war in ihrem Schoß eingeschlafen und sie wollte nicht aufstehen, um das Kind nicht zu wecken.
    Sonst waren nur noch die Bäuerin und der Bauer da, der am Tisch vorn die Milchliste durchschaute. Als er einmal die erloschene kurze Pfeife neu anzündete, fragte er unvermittelt:
    »Du bist doch von Blockstein, oder?«
    Anna schrak aus ihrem Dahindösen auf.
    »In der Nähe bin ich daheim, ja.«
    »Dann müsstest du eigentlich von dem Vorfall wissen, der sich dort zugetragen hat.«
    Sofort wusste Anna, was er meinte. Ihre Kehle wurde eng. »Von was für einem Vorfall?«
    »Hat da nicht eine Bauerntochter auf der Alm einen amerikanischen Flieger versteckt gehabt, ein halbes Jahr lang oder noch länger? Hast du sie gekannt?«
    Annas Finger spielten nervös mit dem Haar des Kindes in ihrem Schoß. Das Kind fing zu greinen an und die Bäuerin nahm es ihr ab.
    »Ja, ich habe sie gekannt«, sagte Anna. »Ist die Sache bis hierher gedrungen?«
    »Man hat davon gesprochen. So was passiert ja auch nicht alle Tage. Eigentlich muss sie ein verdammt schneidiges Frauenzimmer gewesen sein. In der damaligen Zeit hat schon was dazugehört.«
    »Schneid wohl weniger. Eher Mitleid. Der arme Teufel lag ja verwundet auf dem Almfeld. Hätte sie ihn vielleicht liegen lassen sollen?«
    »Natürlich nicht«, antwortete jetzt die Bäuerin. »Vielleicht hätte ich nicht anders gehandelt.«
    Anna blickte die Frau dankbar an. Dann antwortete sie: »Und manch andere auch nicht, die sich danach nicht genug aufregen konnten, um das Mädchen schlecht zu machen.«
    »Der Neid!«, lachte der Bauer wieder. »Wenn es ein hübsches Mädchen war, hätt ich ganz gern der Flieger sein mögen.«
    »Ach, du«, sagte die Bäuerin. »Mach doch nicht immer solche Spruch. Man müsst wahrlich meinen, was du für ein Draufgänger wärst.«
    Sie trug das Kind in die Kammer nebenan und Anna stand auch auf. Bevor sie an der Tür war, wiederholte der Bauer seine Frage: »Du hast sie also gekannt? Was war sie für eine?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Anna. »Vielleicht ist sie nicht jedermanns Geschmack.«
    Dann schloss sich die Tür hinter ihr. Man hörte ihren Schritt über die Stiege gehen und es wurde still.
    Der Ruderer aber beschloss, der Burgl einen Brief zu schreiben, um Näheres über seine neue Magd zu

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