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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Ernst
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siehst du, das ist auch wieder eine von deinen Einbildungen, in denen du lebst. Du bildest dir immer ein, es geht nicht ohne dich. O ja, es geht schon. Zu Lichtmess kommen zwei Mägde her.«
    Das traf Anna wie ein Stoß.
    »Ach, so ist das. Jetzt kenn ich mich aus. Ihr wollt mich aus dem Haus haben, so oder so.«
    »Du begreifst eigentlich recht schnell.«
    Anna konnte nichts mehr antworten und ging langsam hinaus. Das Wichtigste wusste sie ja nun: dass man sie forthaben wollte.
    Während der Predigt gingen ihre Gedanken ganz abseitige Wege. Traurige und zukunftsuchende Gedanken waren es, die sie von der Predigt ablenkten. Nur einmal fing sie die Worte auf, dass der Mensch sich immer treu sein solle, sich selber und seinem Gewissen. Diese Worte drangen ihr tief ins Bewusstsein. Sie fragte sich, ob sie bisher immer sich selbst und ihrem Gewissen treu geblieben sei, und als sie es bestätigt fand, beschloss sie, auch weiterhin so zu leben.
    Am Nachmittag machte sie sich auf den Weg zur Burgl. Es war ein windstiller Tag, einer von jenen Novembertagen, die noch ein wenig prahlerisch Herbst spielen wollen, mit etwas Sonnenschein und ein paar Marienfäden in der Luft und dem hellen Schrei eines Habichts über dem dunkelnden Fichtenwald.
    Die alte Burgl saß vor der Hütte und sonnte sich in dem Bewusstsein, dass es ein geschenkter Tag war, denn morgen konnte schon alles weiß sein ringsum.
    Als sie die Anna kommen sah, leuchteten ihre Augen aus den Runzeln heraus. »Ja, Anna, dass du zu mir kommst. So eine Freud!«
    Anna setzte sich neben die Alte auf die Bank und hob ihr Gesicht der Sonne zu. So saßen sie eine lange Weile schweigend. Die Burgl schaute von der Seite her in Annas Gesicht und sah die messerscharfe Falte zwischen ihren Brauen. Das bedeutete Aufruhr in ihrem Innern. Aber sie fragte nicht, weil sie in ihrem langen Leben gelernt hatte, dass Fragen oft mehr Schaden bringt, als geduldiges Warten, bis der andere sich selbst mitteilt.
    Da kam es auch schon hart über Annas Lippen: »Ich bleibe nicht mehr daheim.«
    Die Burgl horchte auf und schwieg. Sie wusste, das war noch nicht alles.
    Und da stieß Anna auch schon den zweiten Satz heraus: »Ich dürfte das Aschenputtel machen daheim und sie tät die Bäuerin spielen. Aber das machte mir noch weniger aus. Dass einmal eine Bäuerin ins Haus kommt, damit hab ich rechnen müssen. Vielleicht hätt ich mich mit einer anderen besser verstanden als mit der Cilli mit ihrem ewigen Lachen. Aber der Matthias hat mir ja so quasi die Schuh vor die Tür gestellt.«
    »Ah sooo?«
    »Und mir kommt’s grad so vor, als hätten sie das schon lange beschlossen gehabt, die zwei, und haben damit bloß gewartet, bis der Vater stirbt.«
    Die Burgl schnaufte, wickelte sich die Decke enger um die Knie und zog das Kopftuch weiter in die Stirn.
    Dann schob sich ihre Hand herüber und umfasste Annas Finger.
    »Wie ich dich kenn, Anna, ist das nicht das Ärgste. Du wartest und sehnst dir die Seele aus dem Leib nach ein paar Zeilen, die einfach nicht kommen wollen. Und vielleicht werden sie nie kommen, Anna. Du bist jung und stark und musst das überwinden.«
    Da schlug Anna plötzlich die Hände vors Gesicht und begann verzweifelt zu weinen.
    »Ja, du hast Recht, Burgl, ich müsst ihn vergessen können, den Oliver. Aber das kann ich hier nicht, wo mich alles an ihn erinnert. Und drum will ich fort, weit fort, Burgl. Weißt mir keinen Bauern, der eine Magd braucht?«
    Die Alte dachte lange nach. Die Sonne war schon weit nach Westen gewandert. Es wurde kühler. Ein Wind kam auf und ging mit dumpfem Brausen durch die Bäume ringsum.
    »Aus dem Ärmel kann ich dir auch nichts schütteln, Anna«, sagte sie dann. »Aber ich wüsst schon einen, fünf Stunden Fußmarsch von hier weg. Beim Ruderer in Aich. Er ist ein entfernter Cousin von mir. Das wär kein schlechter Platz. Wenn du meinst, dann schreib ich ihm. Vielleicht sucht er grad jemanden auf Lichtmess, oder wenn er selber niemanden braucht, vielleicht weiß er eine andere Stelle.«
    »Ja, schreib ihm, Burgl. Ich bitt dich recht schön, schreib ihm. Das Porto zahl ich dir gern. Und schreibst ihm, ich könnt auch sofort eintreten. Ich will nicht warten, bis die zwei mich ausschaffen, wenn sie eingedeckt sind mit fremden Leuten.«
    »Ich schreib ihm gleich heut noch«, versprach die Burgl.
    »Ja, tu’s, Burgl. Schreibst, wie alt ich bin, dass ich ehrlich bin und viel arbeiten kann.«
    »Musst du mir das sagen?«, kicherte die Alte, stand auf

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