Lichtbringer - Lichtbringer
die längst nicht mehr grau waren. Ein kleiner Sommerpalast war es damals gewesen, abseits von Daugazburg und dem Treiben der Stadt entrückt, umgeben von weitläufigen Gärten. Im Laufe der Zeit war er gewachsen, und in dem Maße, wie Aldungan selbst wieder in Erscheinung getreten war, zeigten sich nach und nach immer weitere Insignien von Macht und Herrschaft in der Architektur.
Seit Gründung der Union war das Gebäude wieder modernisiert worden. Die unteren Gewölbe hatte man abgetrennt, vermietet, versiegelt oder einfach vergessen; in anderen Bereichen hatte man ein Museum eingerichtet, oder man hatte sie stillgelegt. Aldungan selbst benutzte nur noch wenige Stockwerke dicht unter der Spitze.
Für den heutigen Tag waren viele der Hallen, die sonst für öffentliche Führungen zur Verfügung standen, wieder abgesperrt und geschmückt worden. Lange Reihen eleganter Fahrzeuge fuhren von allen Seiten auf den Turm zu, und Fluggeräte landeten in den dafür vorgesehenen Erkern.
Ein livrierter Einweiser winkte Frafas Fahrzeug heran, sie nahm ihre Tasche und stieg aus, und ihr Chauffeur wurde zu den Parkdecks weitergeleitet. Frafa raffte mit der freien Hand ihre schimmernd grüne Robe und schritt über den roten Teppich auf den Haupteingang zu. Die uniformierten Posten ließen sie ein, ohne nach einer Einladung zu fragen.
Sie ging gleich in Richtung der Garderobe, wo sie einen von Aldungans Protokollführern erblickte. Aber auf dem Weg dorthin traf sie auf den Bürgermeister von Daugazburg, auf einige alte Parteifreunde und auf einen früheren Kollegen von der Akademie. Frafa stellte ihre Tasche ab und wechselte ein paar Worte mit der Gruppe, doch als sie wieder zur Garderobe hinblickte, war der Protokollführer verschwunden. Dafür schritt Aldungan selbst über die breite Freitreppe in die Eingangshalle hinab. Der alte Nachtalb trug einen altmodischen dunkelblauen Anzug mit einem Besatz von Goldbrokat. Er und Frafa legten zur Begrüßung die Fingerspitzen aneinander.
»Frafa, meine Liebe. Ich hatte dich früher zurückerwartet...«
»Ja, Meister ... Aldungan.« Frafa deutete einen Knicks an. Auch nach so vielen Jahren wurde sie in Aldungans Gegenwart immer wieder zur Schülerin. »Der Zug ...«
Aldungan winkte ab. »Ein bedauernswerter Zwischenfall, es kam in allen Nachrichten. Zum Glück haben unsere stolzen Luftstreitkräfte diese Intrusion nicht geduldet und die unverfrorenen Elfen in die Schranken gewiesen.«
»Genau genommen habe ich ...«
Aldungan fiel ihr wieder ins Wort. »Ja, die Einzelheiten - lass uns ein andermal darüber plaudern, wenn ein wenig Muße bleibt.«
Frafa nahm ihre Tasche hoch. Sie war unförmig, mehr eine Aktenmappe, und passte nicht zu dem feinen Kleid, das sie trug.
»Womit hast du dich da nur beladen?« Aldungan runzelte die Stirn. »Es ist einer eleganten Albe nicht würdig, bepackt herumzulaufen wie ein Menschensklave. Und nötig hast du es auch nicht, mein Kind. Seit Jahrhunderten rate ich dir, ein neues Taschentier zu erschaffen.«
Frafa schlug die Augen nieder. »Ich ... ich kann nicht. Es wäre so, als ließe Balgir sich einfach ersetzen.«
Aldungan seufzte. Sein Blick schweifte durch die Halle, sah ein bekanntes Gesicht. Er lächelte und winkte und sagte dann zu Frafa: »Was redest du für einen Unsinn. Natürlich lässt er sich ersetzen! Dieses Ding war einfach nur ein Tier ... oder eine Tasche. Du kannst mühelos eine neue machen, und außerdem ist Balgir schon seit ... wie vielen hundert Jahren tot?«
»Es ist keine Frage der Zeit«, gab Frafa zurück. »Balgir war ein Vertrauter.«
Aldungan schüttelte den Kopf. »Mitunter zeigst du eine Rührseligkeit, die einer Albe nicht ansteht. Wenn dir das Ding so am Herzen lag, warum hast du es dann so oft als Echse herumlaufen lassen? Es wäre weniger schnell gealtert und gestorben, wenn du es als Tasche im Schrank gelassen hättest.«
»Balgir hätte das nicht gefallen«, sagte Frafa. »Er wäre nicht so schnell gealtert, aber er hätte auch weniger gelebt.« Sie schaute zur Seite und besann sich auf ihr eigentliches Thema: »Ich habe die Unterlagen in der Tasche, die Dokumente der Reise. Wir müssen sie durchgehen.«
Aldungan schüttelte den Kopf. »Aber doch nicht heute!«, rief er aus. »Du siehst erschöpft aus, Liebes. Hast du gezaubert? Ich spüre eine gewisse ... Leere in dir. Erhol dich ein wenig, feiere. Es gibt ein Buffet für die Ehrengäste im Mondscheinsaal, Tanz, Konzerte ... Du wirst heute Nacht doch nicht
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