Lichtbringer - Lichtbringer
arbeiten! Wir reden später über die Ergebnisse deiner Fahrt.«
»Und was soll ich heute Abend tun?«
»Gar nichts.« Aldungan legte Frafa die Hand auf die Schulter. »Wärest du vor zwei Tagen gekommen, wie es geplant war, dann hätte ich dich instruieren können. Es sind wichtige Gäste da, die ich gern deiner Obhut anvertraut hätte ... Aber, wie man so passend sagt, der Zug ist abgefahren. Wenn du dich gut unterhältst und unseren bitanischen Gästen zeigst, dass wir in Daugazburg kultivierte Leute sind und Nachtalben ein angenehmer Umgang, dann tust du genug für unsere Sache.«
»Worum geht es eigentlich bei diesem Empfang?«, fragte Frafa. »Um ein neues Kriegsschiff, habe ich gehört?«
»Das ist der offizielle Vorwand«, erklärte Aldungan. »Heute wurde die Lichtbringer getauft und in Dienst genommen, ein Flugkreuzer der neuesten Generation. Aber das ist Gulberts Lieblingsprojekt, nicht meins, er hat im Hintergrund die Fäden gezogen. Ich nutze bloß den Anlass, wo so viele von Gulberts Freunden in Daugazburg sind, und spiele den Gastgeber, um ein paar Leute zusammenzubringen.«
Er zwinkerte Frafa zu.
»Gulbert.« Frafa seufzte.
»Gulbert ist nicht mehr unser Feind«, tadelte Aldungan sie milde. »Heute sind wir alle eine große Familie, Finstervölker und Bitaner, und dieser Empfang soll dazu beitragen, die Grenzen noch weiter abzubauen. Genieße den Abend, Frafa, und lebe einfach ... Es ist nicht gut für uns, stehen zu bleiben und an der Vergangenheit festzuhalten. Ob es um Taschentiere geht, um magische Herzen oder um andere Dinge.«
Er wandte sich ab, holte ein Phon aus der Tasche und meldete sich bei seinen Protokollführern. Frafas Arbeitgeber und früherer Lehrmeister überließ nichts dem Zufall. Er ließ sich eine Liste der wichtigsten Gäste und ihres gegenwärtigen Aufenthaltsortes geben, bevor er entschied, in welchem Raum und bei welcher Gruppe er wie absichtslos auftauchen wollte.
Erst als er fort war, fiel Frafa eine Merkwürdigkeit auf.
Lichtbringer.
Das war eine althergebrachte Bezeichnung für Leuchmadan und wohl eine vage Übersetzung seines Namens. Es war ein Begriff der Finstervölker, Gulbert hingegen war jahrhundertelang der Hochkönig der Völker des Lichts gewesen und hatte sogar gegen Leuchmadan selbst gekämpft. Wenn dieses Schiff also sein Projekt war, weshalb wählte er dann den Namen eines alten Feindes dafür?
Das Buffet war an der Stirnseite des Mondscheinsaals angerichtet, auf einer kleinen Empore, die bei anderen Veranstaltungen als Bühne diente. Eine lange Reihe Tische stand dort, beladen mit Vorspeisen und Desserts und zahllosen Delikatessen. Bedienstete in weißem Gewand und mit roter Schürze legten die Speisen vor.
Frafa schlenderte unentschlossen an den aufgereihten Köstlichkeiten entlang. Sie bewunderte die Dekoration, ganze Landschaften mit Wäldern und Hügeln und kleinen Tieren, aus Gemüse geschnitten und mit Kräutern begrünt; naturgetreue Blüten aus Zuckerwerk und Marzipan. Frafa kam spät, und viele der Platten mit den Hauptgerichten waren schon fast leer; andere kaum angerührt oder wurden eben neu aufgedeckt.
Ein rundlicher Mensch, einer der Honoratioren von Daugazburg, stand vor den Meeresfrüchten und wollte sich einen Hummer vorlegen lassen. Da richtete sein Nachbar das Wort an ihn: »Verzeihen Sie, mein Herr«, sagte er. »Ich bin Arzt und möchte Ihnen sagen, dass Sie den Hummer womöglich nicht nehmen sollten.«
Frafa kannte den Daugazburger, aber den Fremden, der ihn angesprochen hatte, kannte sie nicht. Es war ein kleiner Mann, kaum größer als Frafa, in mattbraunem Anzug und mit einem aufgefältelten roten Tuch am Kragen.
Der Dicke riss seinen Teller zurück, als hätte das Schalentier ihn gezwickt. »Warum?«, fragte er hastig. »Meinen Sie, er wäre nicht bekömmlich?«
»Das hoffe ich doch«, erwiderte der Arzt ungerührt. Geschickt schob er seinen Teller unter dem Arm seines Nachbarn hindurch, drückte resolut mit der anderen Hand die Speisezange herunter und lud sich den Hummer selbst auf den Teller. »Es ist der Letzte auf dem Buffet, und ich hätte gern davon gekostet.«
Er zog mit seiner Beute ab. Der Daugazburger blickte ihm fassungslos nach. Dann tat er einen Schritt hinter dem Räuber her und lief selbst so rot an wie ein Hummer. »Was für eine Un...«, stieß er hervor, hielt dann inne und schnappte nach Luft.
Frafa drehte den Kopf, damit der Mensch ihr Grinsen nicht bemerkte. Eilig zwängte sie sich an ihm
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