Lichtbringer - Lichtbringer
wir von dieser Welt mitbringen.«
»Ich«, setzte Barsemias an, »ich werde mich mit dem Zeug vereinen! Warum solltest du dich opfern?«
Frafa lachte auf. »Bei den Elfen binden sich die Ahnen in das Netz des Waldes, nicht die Jünglinge. Wie alt bist du, Barsemias? Ich habe beinahe ein Jahrtausend vollendet. Ich fühle mich zwar nicht so alt, denn ich habe viele Jahre durcheilt, ohne mich von ihnen berühren zu lassen. Dennoch haben sie mich berührt. Immer wieder merke ich es, und wer weiß? Vielleicht bin ich in meinem Herzen so müde, wie mein Bruder es war.«
»Nein«, rief Barsemias. »Du wolltest neu anfangen. Du hast es gesagt!«
»Und das tue ich auch, in gewisser Weise«, erwiderte Frafa. »Ich sterbe ja nicht, jedenfalls nicht vollständig. Es ist ein Übergang, wie der Wichtel im Schiff ihn schon vollzogen hat. Und dein Großvater in eurem Heimatwald. Oder glaubst du etwa, dass eine Nachtalbe nicht den richtigen Geist mitbringt, um unsere Welt zu heilen? Traust du mir nicht?«
»Doch.« Barsemias schaute sich kurz um, aber hinter den Wänden rings um die Senke sah er nichts von seinem Volk. »Aber die anderen könnten dagegen sein. Wenn ich ihnen erzähle, was geschehen ist, haben sie möglicherweise Zweifel. Sie könnten sich weigern, eine so fragwürdige Substanz, von der Seele einer Nachtalbe geprägt, in unsere Welt zu entlassen.«
»Darum habe ich dich mitgenommen«, sagte Frafa. »Niemand sonst weiß, was wir hier reden. Du kennst dein Volk, und ich vertraue dir. Du wirst die richtigen Worte finden.«
Sie beugte sich zu ihm hin. Nahm seinen Kopf in beide Hände und zog sein Gesicht zu sich. Dann umarmten sie einander, küssten sich, spürten den Atem des anderen.
»Du wirst dich darum kümmern«, flüsterte Frafa. »Dir vertraue ich dieses Heilmittel an.«
»Ich weiß nicht, wo und wie«, flüsterte Barsemias zurück.
»In Leuchmadans Hort im Zentrum von Falinga gibt es einen Ort, wo das Blut der Erde offen sprudelt. Wenn es dort zu gefährlich ist und du die Quelle des Blutes nicht aufsuchen kannst, dann versuch es anderswo. An vielen Orten wird Thaumagel gefördert, und durch all diese Löcher kannst du es erreichen. Es liegt in deiner Hand, und wir haben Schwierigeres gemeistert.«
Sie richteten sich auf. »Als mein Großvater in den Wald ging«, sagte Barsemias, und seine Stimme klang wieder nüchtern, »da hieß es auch, er würde nicht sterben. Doch dann war er fort.«
Er hob die Schultern und schaute zum Himmel auf, und es gab nichts mehr zu sagen. Frafa fuhr mit den Fingern über den rauen Deckel des Topfes in ihrem Schoß. Der Gedanke, dass ihre Aura, ihre Seele bald hilflos darin gefangen sein sollte, bedrückte auch sie. Das Behältnis wirkte so zerbrechlich, und so vieles konnte geschehen.
Sie nahm einen Injektionszylinder aus der Uniformtasche.
»Ich war im Lazarett und habe ein Schlafmittel mitgenommen«, sagte sie. »Genug für eine Überdosis. Eigentlich sollte ich meditieren und meine Aura bewusst in diese Substanz lenken. Aber ich will schlafen. Einmal will ich noch schlafen und meine Toten wiedersehen und meinen Frieden mit ihnen machen. Ich habe es so lange aufgeschoben.«
Sie nahm den Topf, trat auf Barsemias zu und meinte: »Halte mich solange. Das Gefäß wird meine Aura binden, sobald sie sich vom Körper löst. Dann kannst du es zurückbringen und deine Geschichte erzählen. Welche auch immer das sein wird. Von da an ist es dein Weg.
Aber vorher halte mich und wache über meinen Schlaf.«
Barsemias nickte. »Wir hätten mehr tun können«, sagte er.
»Ich weiß«, antwortete Frafa.
Sie lehnte sich an ihn, legte sich auf den Rücken, den Kopf in seinen Schoß gebettet, und schaute zu ihm auf. Er sah zu ihr herab, und seine silberblonden Haare fielen wie ein Schleier um ihrer beider Gesichter. Frafa rückte das Gefäß neben sich zurecht, sodass sie es berührte. Dann setzte sie den Zylinder an ihren Hals und drückte, bis sie das Mittel in ihrem Blut spürte. Sie ordnete ihre Essenz und nutzte all ihre Magie, um die Heilzauber zu dämpfen, die sie in ihrer Aura verwoben hatte.
Dann ließ sie den Zylinder fallen, suchte Barsemias' Hand, und sie hielten einander fest.
»Der Name unseres Schiffes ...«, flüsterte sie. »Leuchmadan erhielt seinen Namen von den Finstervölkern, weil er ihnen das Licht der Sterne auf die Erde brachte. Liegt nicht eine Ironie darin, dass nun wiederum ein Lichtbringer jene Fracht auf unsere Welt bringt, die Leuchmadan erleuchten
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