Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
Vom Netzwerk:
Ende vierzig. Er hatte stahlgraue, entschlossene Augen und weizenblondes, zur Seite gescheiteltes Haar, das vorn zu einer jugendlich-frech gemeinten Tolle geföhnt war. Der Anzug saß perfekt und sah teuer aus, ebenso das gestreifte Hemd und die silbern schimmernde Krawatte. Ein Unternehmertyp, das sah man sofort, einzig seine Lippen waren fleischig und glänzten ein wenig zu feucht, was ihm einen etwas weibischen Zug verlieh.
    »Sie brennt«, sagte er mit einem kurzen Blick auf José.
    »Vor Verlangen. Tut sie immer.«
    »Nein, sie brennt tatsächlich.« Er deutete mit dem Kinn auf meinen Freund.
    Ich fuhr herum und sah, wie dichter Rauch aus Josés Schleier drang. Jetzt fiel mir auf, dass er sich keinen Millimeter bewegt hatte, seit mein Kunde die Wohnung betreten hatte.
    »Fatima, siehst du nicht, dass ich arbeiten muss?«, rief ich José zu, und erst jetzt löste sich seine Erstarrung. Eilig trippelnd verzog er sich ins Schlafzimmer, wo ich ihn heftig und wenig damenhaft husten hörte.
    »Sie ist seit ein paar Tagen etwas tuberkulös drauf«, erklärte ich entschuldigend.
    Mein Besucher verzog angeekelt das Gesicht. »Und Sie sind …?«, fragte er beiläufig, als er sich auf den Stuhl setzte, der auf der Kundenseite meines breiten Schreibtischs stand.
    »Kerngesund.« Ich streifte mir ein T-Shirt über, das nach einem ausgedehnten Ausflug in meine momentan bevorzugte Bar aus einem nicht mehr nachvollziehbaren Grund auf meinem Bürosessel gelandet war, und knöpfte die Hose zu. Dann setzte ich mich ebenfalls.
    »Ich meinte Ihre Herkunft.«
    »Inder.«
    »So.« Seinem Tonfall war nicht anzuhören, was er von dieser Information hielt. »Mein Name ist übrigens Blanchard. Vielleicht haben Sie schon von mir gehört.« Er schmatzte, als würden seine Lippen zusammenkleben.
    » Der Blanchard?« Meine Frage war rein rhetorisch, natürlich wusste ich jetzt haargenau, wer mein Gegenüber war. Aber manchmal erkannte man Leute, die man sonst nur in Magazinen sah, nicht immer auf Anhieb, wenn sie in Fleisch und Blut vor einem standen.
    Blanchard besaß ein Medienimperium, das sich voll und ganz dem Boulevard verschrieben hatte, die größte Tageszeitung der Schweiz, Magazine und Illustrierte in ganz Europa. Zusätzlich einen privaten Fernsehsender, der ausschließlich seichte Unterhaltung bot, Talkshows, Datingshows, Castingshows, Modelshows, generell alles, was nur eine englische Bedeutung kannte und woran sich ein ›Show‹ anhängen ließ. Außer Kochshow vielleicht.
    Blanchard. Ein Gigant in seiner Liga, der wohl mächtigste Mann in der Schweizer Medienlandschaft. Insgeheim fragte ich mich, weshalb Schweizer Verleger so oft französisch anmutende Namen trugen. Vielleicht lag dem die verborgene Sehnsucht der demokratiemüden Konzernchefs nach mehr Monarchie zugrunde oder eine Andeutung von Erotik in einem knallharten, von Männern in grauen Anzügen dominierten Business, aber ich kam nicht über Mutmaßungen hinaus. Und ich fragte mich vor allem, weshalb einer wie er ausgerechnet zu einem wie mir kam.
    »Der mit dem Zeitungsverlag? Der Medientycoon?«
    Er nickte huldvoll, als teilten wir jetzt ein wahnsinnig verschwiegenes Geheimnis, stützte seine Ellbogen auf die Tischplatte und legte die Fingerspitzen gegeneinander. Die Nägel glänzten manikürt und endeten in einem feinen weißen Rand, der wie aufgemalt wirkte. Am linken Ringfinger steckte ein Ring, den wohl selbst Zsa Zsa Gabor als zu protzig abgelehnt hätte.
    »Was kann ich für Sie tun, Herr Blanchard?«
    Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, entschied sich dann aber anders, richtete sich wieder auf und zog eine dicke Zigarre aus seiner Brusttasche. Während er ihr geübt die Spitze abzwackte und sie dann anzündete, ließ er mich nicht aus den Augen. Erst als er genüsslich schmatzend an dem Ding gezogen hatte, antwortete er. »Die Sache ist heikel, Herr Kumar, sehr heikel.«
    »Ich bin diskret. Der diskreteste indische Privatdetektiv, den Sie in dieser Gegend finden.« Ich wedelte den Rauch weg, um ihn ansehen zu können.
    Ein feines Lächeln umspielte seine wulstigen Lippen. »Das wurde mir genau so zugetragen.«
    »Dann sind wir im Geschäft.«
    Ruckartig richtete er sich auf und deutete mit der Zigarre auf mich.
    »Die Sache muss oberste Priorität für Sie haben! Und ich zähle auf Ihre Verschwiegenheit.«
    »Geschenkt.«
    »Wie bitte?«
    »Ich meinte: selbstverständlich.«
    Schmatzen. Er schälte sich umständlich aus seiner Anzugjacke, die

Weitere Kostenlose Bücher