Lichterfest
er sorgsam zusammenfaltete und über seine Knie legte. »So.« Er strich den Stoff glatt, dann hob er den Kopf und blickte mich ernst an. »Meine Putzfrau ist verschwunden.«
»Ihre Putzfrau?«, flüsterte ich tonlos.
Er nickte mit Nachdruck.
Einen Moment lang herrschte Stille in der Wohnung. Von draußen war aus einem geparkten Auto Lady Gaga zu vernehmen. Frau Gaga wurde von einer billig klingenden Syn thesizerfanfare angekündigt, bevor ein vorwärtstreibender Beat einsetzte und ein Chor in derart tiefen Tonlagen zu stammeln begann, als spielte man eine Vinylsingle von Boney M. irrtümlich mit dreiunddreißig Touren ab. Darüber besang die Dame ihr Poker Face. Dasselbe versuchte auch ich aufzusetzen.
Blanchards Hände fuchtelten über der Tischplatte, als wische er mögliche Einwände weg. »Sie putzt fantastisch und niemand kriegt die Hemdenärmel so perfekt hin wie sie.« Er deutete auf die messerscharfe Bügelfalte, die von seiner Schulter bis zum Handgelenk verlief.
Ich hatte plötzlich das dringende Bedürfnis nach einem großen Schluck Amrut, meines sechsundvierzigprozentigen indischen Lieblingswhiskys.
Es gab Leute, die schienen mich für komplett bescheuert zu halten. Ich konnte ja noch verstehen, dass eine Frau befürchtete, der eigene Partner könnte ihrem Lebensentwurf der Monogamie herzlich wenig abgewinnen, oder dass eine Versicherung Verdachtsmomente bezüglich der Arbeitsunfähigkeit ihres am kleinen Finger verletzten Kunden hegte. Aber die Leute, die offenbar aus reiner Langeweile oder zu therapeutischen Zwecken meine Dienste beanspruchten, wie letzthin diese Beinaheschauspielerin, die angeblich ihre Katze vermisst hatte, gingen mir nicht nur auf die Nerven, sie schienen auch immer zahlreicher zu werden. Und sie alle fanden ihren Weg zu mir.
»Und wieso suchen Sie sich nicht einfach eine andere? In Zürich wimmelt es nur so von Putzen, da findet sich für jeden Geschmack etwas: weiße, schwarze, legale und illegale, junge und alte, solche, die reden, und solche, die nur putzen, solche, die reden und rauchen und kaum putzen, einige erledigen nur das Gröbste, andere kochen sogar und versorgen die Kinder. Afghaninnen, Kubanerinnen, vielleicht eine aus dem Balkan? Selbst Männer gibt es, bodenständige Teppichschamponierer, wendige Fensterreiniger, filigrane Nacktputzer … Sie haben die Wahl.«
»Sind Sie fertig?«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich will sie zurück.« Wieder fixierte er mich. Mit einem Blick, der keinen noch so kleinen Raum für Einwände bot. »Genau diejenige, die ich gehabt habe und die jetzt verschwunden ist. Und nicht irgendeine …« Er wedelte mit seinen Wurstfingern herum, als verscheuchte er eine Fliege. »… Afghanin.«
Seufzend lehnte ich mich zurück und blätterte lustlos in meiner Agenda. »Meine Auftragslage sieht leider …« Abrupt hielt ich inne und hob den Kopf.
Er hatte die Zahl nur gezischt, trotzdem hatte ich sie glasklar vernommen.
»Entschuldigung?« Eine diskrete Nachfrage zum richtigen Zeitpunkt konnte mögliche spätere Missverständnisse effizient aus dem Weg räumen.
»Sie haben schon richtig gehört.« Er schmatzte und nannte die Summe erneut.
Ich klappte die Agenda zu. »Höchste Priorität?«
Er nickte.
»Wie heißt sie?«
»Rosa Maria Perez Martinez de la Cruz.«
»Das sind mehr Angaben als auf einer spanischen Weinflasche.«
»Ich hab sie immer Rosie genannt.«
»Rosie? Tatsächlich? Haben Sie und Rosie …?«
Fragend sah er mich an.
Ich wusste aus den Magazinen, dass er mit einer etwa gleichaltrigen, aber dank regelmäßiger Besuche in verschwiegenen Privatkliniken ungleich attraktiveren Brünetten verheiratet war, die sich einst, als es noch Seite-3-Girls gab, für sein Blatt entblättert hatte, bevor sie dasselbe in viel privaterem Rahmen für ihn wiederholt hatte. Jetzt war sie bekannt als umtriebige Jetsetlady, die zusammen mit ihrer besten Freundin, der Stararchitektin Joswitha Moor, bei keinen wichtigen Anlässen und ebenso wenig an einer beträchtlichen Anzahl unwichtigen fehlte. Nebenbei saß sie im Vorstand von Kulturstiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen und setzte sich für Kinderheime und Krebskranke ein. Ein Engel von einem Mensch. Ich wusste allerdings auch von dem dreihundertseitigen Ehevertrag. Äußerste Diskretion war also verlangt. Und wurde von mir selbstverständlich geboten.
»Na ja, Sie … und Rosie?«
Er schien nicht zu begreifen. Ich machte eine eindeutige Handbewegung, worauf er
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