Lichterfest
lachende Kindergesichter schonten. Ich stieg die Treppe ganz hinauf und stieß die Tür mit der Fußspitze an, worauf sie knarrend aufschwang. Niemand war im Raum. Rasch blickte ich über die Schulter. Die Luft war rein, von unten waren noch immer leise Stimmen zu hören, Tassen schepperten auf Untertellern, die Kaffeemaschine brummte, jemand lachte.
Ich schlüpfte in das Zimmer, beugte mich über den PC und betätigte eine Taste. Die Kindergesichter verschwanden und der Bildschirm wurde hellblau, auf der rechten Seite erschienen drei Spalten mit Ordnern.
Ich überflog die Bezeichnungen, dann öffnete ich Word und ging die verschiedenen zuletzt benutzten Textdokumente durch. Nur Geschäftskorrespondenz, Bestätigungen von Zimmerreservationen, Arbeitszeugnisse, Dutzende ähnlicher Schriftstücke. Hastig durchforstete ich die Festplatte, ohne zu finden, wonach ich suchte.
Von unten wurden die Stimmen lauter. Als ich einen Blick durch den Türspalt warf, erkannte ich das schlohweiße Haar des Rezeptionisten. Der Empfang war wieder besetzt. Ich fluchte lautlos.
Willkürlich öffnete ich einige Ordner, ohne dass ich fündig geworden wäre. Ich klickte auf den Papierkorb. Von unten waren Schritte zu vernehmen, eine Frau, ich hörte Absätze klackern. Als ich erneut aufblickte, schickte sich eine elegant gekleidete Dame in einem grauen Kostüm gerade an, die Treppe hochzusteigen. Vor Schreck gelähmt verfolgte ich ihre Bewegungen, wie sie die erste Stufe erklomm, dann die zweite. Ich sah sie nur von oben, doch höbe sie den Kopf nur ein kleines bisschen, würde sie mich unweigerlich entdecken. Reglos verharrte ich, während mein Herz sich den Hals hinaufzuquetschen versuchte.
Auf der nächsten Stufe hielt die Direktorin, wie ich annahm, unvermittelt inne und wandte sich dem Rezeptionisten zu, der ihr augenscheinlich eine Frage gestellt hatte. Ich sah sie kurz nachdenken, dann ging sie mit raschen Schritten wieder hinunter, schlug das Reservationsbuch auf und begann, dem Mann etwas zu erklären.
Ich atmete auf und gab der Tür einen sanften Stoß, worauf sie sich mit einem leisen Seufzen ein Stück schloss. Zügig überprüfte ich den Inhalt des Papierkorbs. Zweihundertdreiundachtzig Objekte befanden sich laut Anzeige darin, fieberhaft scrollte ich durch die aufgelisteten Dokumente.
Ich wollte schon aufgeben, als mein Blick an einem Word-Symbol hängen blieb. Die Datei hieß Dokument 1 , was mich stutzig machte, denn die Direktorin hatte alles peinlichst genau durchorganisiert, alle Dateien waren ordentlich benannt und korrekt abgelegt. Ich zog das Dokument aus dem Papierkorb und öffnete es, als die Schritte abermals auf der Treppe zu hören waren. Ich überflog die wenigen Zeilen und hätte vor Begeisterung beinahe aufgeschrien.
»Und wie verfahre ich hiermit?«, hörte ich die Stimme des Rezeptionisten von unten.
»So schwierig kann das doch nicht sein«, seufzte die Direktorin etwas ungehalten, als sie die Stufen wieder hinunterstieg.
Ich sprang auf und drückte die Tür geräuschlos zu. Zurück am Schreibtisch klickte ich auf das Druckersymbol, worauf unmittelbar ein Gebläse zu rauschen begann und ein leises Surren einsetzte. Ich hielt den Atem an und lauschte auf sich nähernde Schritte, doch alles blieb ruhig. Sekunden später hielt ich den Ausdruck in den Händen. Ich schloss das Word-Dokument und bewegte es in den Papierkorb zurück.
Dann öffnete ich die Tür spaltbreit. Die Direktorin war noch immer am Empfang beschäftigt, ich hörte ihre Stimme, als ich vorsichtig aus dem Raum schlich. Langsam ging ich die Treppe hinunter, als sie plötzlich aufblickte und mich direkt ansah. Sie runzelte misstrauisch die Stirn, und ich beschleunigte meine Schritte. Ehe sie eine Frage stellen konnte, hatte ich ihr freundlich lächelnd zugenickt, ein Gruß, den sie irritiert erwiderte, und war an ihr vorbei auf den Ausgang zugesteuert.
Erst als ich im Freien war, getraute ich mich wieder zu atmen.
Zurück im Büro schaltete ich das Radio ein. Bad Romance blendete gerade aus und die Nachrichten wurden angekündigt. Noch immer war der Mord an Graf das Hauptthema, die Polizei verfolgte mehrere Spuren, doch über den Verbleib des gestohlenen Bildes war nichts bekannt. Der bronzefarbene Wagen, den zwei Zeuginnen erkannt haben wollten, hatte sich schnell als BMW Coupé von Alice Graf herausgestellt, die natürlich zur fraglichen Zeit ebenfalls im Quartier unterwegs gewesen war.
Eine erste offizielle Erklärung von
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