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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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ich, und den Rest bringe ich mir selbst bei.«
    »Das ist das ganze Konzept?«
    »Es liegt im Trend, das ist das Konzept«, erwiderte Miranda bestimmt.
    »Aha.«
    »Was braucht es sonst?«
    »Eine kompetente, freundliche und nicht überhebliche Bedienung«, grinste José.
    »In Zürich? Woher willst du die nehmen?«, gab ich zu bedenken. »Der Job rangiert nicht gerade unter den Top Ten der Traumberufe.«
    »Was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie sich manche Leute im Restaurant benehmen«, warf José ein.
    »In Flugzeugen soll es noch schlimmer sein, hab ich gehört.«
    »Kann ich mir gut vorstellen. Aber es gibt doch genügend Studenten, Schauspieler ohne Engagement, erfolglose Schriftsteller, frustrierte Hand- und Fußmodels …«
    »Aber was nützt es, dass dir die Suppe von einer schönen Hand serviert wird, wenn es weiter oben nach saurer Zitrone aussieht?«
    »Könntet ihr endlich mal die Klappe halten?«, schrie Miranda gereizt dazwischen.
    José und ich verstummten augenblicklich.
    Sie atmete tief durch, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme wieder beherrscht. »Ich werde in der ersten Zeit selbst servieren. Wenn dann der Laden läuft, kann ich immer noch eines eurer … Fußmodels einstellen. Die Qualität der Suppen wird das nicht beeinträchtigen.«
    »Aber Miranda: Nudelsuppen? Echt, ich weiß nicht.« José wirkte wenig überzeugt. »Wird man davon überhaupt satt?«
    »Natürlich! Das Ganze wird ja mit Fleisch und Grünzeug angerichtet, auf Wunsch auch mit Tempura, in Teig frittierte Crevetten und Gemüse. Es gibt da eine Marktlücke. An der Langstrasse reihen sich die Kebabstände dicht aneinander. Wer gerade keine Lust auf fetttriefenden Hammel vom Spieß hat, geht zu den zwei, drei Indern, in die chinesischen Schnellimbisse, zum Italiener und in die paar Restaurants mit Schweizer Küche. Japanische Nudelsuppen kriegt man – soviel ich weiß – nirgends! Schnell, gesund und leicht, im schicken Ambiente serviert. Genauso, wie es heutzutage verlangt wird.«
    »Die Yogalehrerinnen und Modedesigner dieser Stadt werden dir die Bude einrennen.«
    »Ich hoffe eher auf die Zugezogenen aus den schicken Lofts.«
    »Damit liegst du wahrscheinlich sogar richtig«, bestärkte ich Miranda.
    »Das schaffst du schon. Ist ja kein großer Unterschied zwischen deinem alten und dem neuen Job. Nur dass jetzt die Nudeln weich sein müssen, wenn du Geld damit verdienen willst«, frotzelte José.
    »Sehr witzig.« Miranda sah uns einen Moment lang schweigend an, dann setzte sie sich wieder und seufzte schwer. »Ich habe ja selbst Zweifel, ob ich dem gewachsen bin. Ob ich das überhaupt kann. Aber der Gedanke, bis ins Rentenalter auf den Gehsteigen mit dem Arsch zu wackeln, jagt mir echt Angst ein. Am Rollator sieht keine Nutte sexy aus. Die Zeit arbeitet gegen mich, mit jedem Flugzeug wird frisches und jüngeres Fleisch importiert, und ich will nicht als eines dieser abgehalfterten, lichtscheuen Wracks enden, wie sie da draußen in den Seitengassen auf die Besoffenen lauern.«
    »Schätzchen, du wirst immer toll aussehen!«
    »Danke, Curryfresser, aber es ist nicht in erster Linie mein Aussehen, um das ich mir Sorgen mache. Schließlich hatte man in Brasilien zu Botox längst ein genauso inniges Verhältnis wie zum eigenen Friseur, als man in Europa deswegen noch in der Notaufnahme gelandet ist.«
    »Darum wird auch keiner mehr älter. Nur straffer und ausdrucksloser.«
    »Nun, ein kleiner Eingriff hier und dort schadet garantiert nicht. Aber sicher nicht vor meinem dreißigsten Geburtstag.«
    José und ich lachten auf.
    Miranda sah uns amüsiert an. »Aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes: Ich möchte endlich eine Aufgabe haben, die mir wirklich Spaß macht, einen Sinn sehen in dem, was ich tue. Das mag jetzt kitschig klingen, aber ich glaube, ich habe zu mehr Talent, als notgeile Kundschaft zu befriedigen. Ich habe ein bisschen Geld gespart und bin noch nicht zu alt, um etwas Neues auszuprobieren. Ich gebe zu, das fordert meinen ganzen Mut, aber wenn ich es nicht versuche, bleibt weiterhin alles so, wie es ist. Und das will ich nicht.«
    Ich erhob mich, setzte mich auf die Armlehne neben Miranda und umarmte sie. »Wir werden ganz oft bei dir sein. Etwas gesunde Kost wird auch uns nicht schaden. Und ich bin sicher, deine Nudelsuppen werden die besten in der ganzen Stadt sein!«
    »Gibt es da auch was zu trinken?«, fragte José.
    »Grüntee natürlich …«
    José verzog das Gesicht.
    »… aber auch

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