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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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umgebracht?«
    »Das ist die Millionenfrage.«
    Eine gespannte Stille machte sich breit.
    »Sollten wir das nicht der Polizei mitteilen?« José sah mich unsicher an.
    »Und wenn wir uns irren? Das sind bloße Vermutungen, wir haben nicht den Hauch eines handfesten Beweises. Ein Umschlag ist weg und die Post liegt auf dem Korpus. Schön. Das Kuvert kann aber auch runtergefallen sein und für die Post in der Küche gibt es sicher auch eine Erklärung.«
    »Da glaubst du doch selbst nicht dran.«
    »Nein. Aber ich möchte mich nicht unnötig lächerlich machen. Zudem fände Fiona es wahrscheinlich wenig witzig, wenn sie sich rechtfertigen müsste, weshalb sich diese Fotos in deinem Besitz befanden.«
    José schluckte leer. »Auf keinen Fall! Was schlägst du nun vor?«
    »Nachspeise.« Ich füllte die Gläser erneut und holte ein paar Eiswürfel. »Und dann wird nachgedacht. Ganz professionell.«
    Betrachtete man die Oberfläche, schien alles klar: Bei Graf wird eingebrochen, überraschenderweise ist der Hausherr da, obwohl er an einer Parteiveranstaltung hätte auftreten sollen. Er liefert sich ein Handgemenge mit den Eindringlingen, in dessen Verlauf er ums Leben kommt. Ein millionenschweres Bild verschwindet, ein klassischer Raubmord. Und trotzdem ging das alles nicht auf. Die Post, die auf dem Korpus lag, der verschwundene Umschlag: Dahinter verbarg sich etwas ganz anderes, sagte mir mein Gefühl. Es war eine verzwickte Situation. Da hatten wir einen brisanten Fall vor uns liegen und kamen keinen Schritt weiter.
    Ich leerte meinen Drink. Eigentlich hatte ich ja meine beiden Fälle bravourös gelöst und die Honorare eingestrichen. Ich hätte meine Beine hochlegen und den Whisky in mich hineinplätschern lassen können, bis mein Telefon geklingelt und ein weiterer Kunde meine Dienste in Anspruch genommen hätte. Putzfrauen, Perserkatzen, Pressefotos, ich war in der Zwischenzeit stadtberühmt dafür, die unmöglichsten Dinge aufzuspüren, auch solche, die nicht mit P begannen. Ich hätte es entspannt angehen lassen können. Nach den Strapazen der vergangenen Tage sogar verdient. Trotzdem ließ mir der Mord an Graf keine Ruhe. Mitten in meinen Überlegungen polterte es an der Tür und einen Sekundenbruchteil später stürmte eine aufgekratzte Miranda herein.
    »Wie siehst du denn aus?«, rief sie erstaunt, und ich betastete vorsichtig mein angeschwollenes Gesicht.
    »Könnte ich dich auch fragen.«
    Von ihrer Begegnung mit dem Fleischklops in Latex sah sie zwar immer noch mitgenommen aus, doch die riesige Sonnenbrille verdeckte das meiste davon gnädig.
    »Jungs, ich muss euch etwas verkünden!« Sie strahlte über die Teile des Gesichts, die erkennbar waren, und setzte sich schwungvoll neben uns aufs Sofa.
    »Leg schon los«, knurrte José.
    »Mach’s kurz«, fügte ich hinzu.
    »Ich werde meinen Job aufgeben!« Sie sah uns beifallheischend an, doch weder José noch ich reagierten darauf.
    »Verletzungsbedingt hatte ich ja etwas Zeit, mir Gedanken über meine Zukunft zu machen, und bin zu dem Schluss gekommen, dass mich meine momentane Aufgabe nicht mehr erfüllt.«
    Ich verkniff mir eine spöttische Bemerkung. Gerade noch rechtzeitig, Miranda fixierte mich bereits streng.
    »Schön, dass man neuerdings selbst in jener entlegenen Sofaecke auf einen ätzenden Kommentar verzichtet.« Sie klammerte sich an ihre goldene Handtasche, die sie auf den Knien balancierte. »Deswegen werde ich ab sofort nicht mehr stundenweise im Einsatz stehen. Nie mehr. Denn sobald ich ein passendes Lokal gefunden habe, heiße ich euch herzlich willkommen in …« An dieser Stelle sprang sie auf, schwankte auf ihren mörderischen Absätzen und breitete theatralisch die Arme aus. »… Miranda’s Noodle Bar!«
    Sie erinnerte an einen ehemaligen Weltstar, der auf seiner Comebacktour vergeblich auf Applaus hofft. Wie erstarrt glotzten José und ich sie an.
    Einen Moment lang hielt sie die Arme noch auf Schulterhöhe ausgestreckt, dann ließ sie sie enttäuscht sinken. »Ihr findet das nicht toll.«
    »Doch, doch«, beeilte ich mich zu sagen und wusste dann nicht weiter.
    »Eine brillante Idee, wirklich«, kam mir José murmelnd zu Hilfe, bevor auch er wieder in Ratlosigkeit versank.
    »Hast du eine Ahnung von Gastronomie?«
    Miranda nickte vage. »Freunde von mir haben in São Paulo eine japanische Nudelbar, die so erfolgreich ist, dass sie schon bald eine zweite Filiale eröffnen. Sie haben versprochen, mir Rezepte zu schicken. Kochen kann

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