Lichterfest
während Miranda im Käfer Wache saß.
Ein einziger Kastenwagen von einer lokalen Fernsehstation, die in einer Gegend sendete, wo es wohl nichts anderes zu berichten gab, war am frühen Abend noch dagestanden, als wir die Situation ausspioniert hatten. Danach hatte ich am Computer etwas Recherche betrieben und ein nicht ganz einfaches Telefonat geführt. Als wir gegen zehn Uhr zurückkehrten, war auch das letzte Reporterteam verschwunden.
In Claires Küche brannte noch Licht, doch sie selbst war nicht zu sehen.
Wir beschleunigten unsere Schritte und stiegen geduckt eine Natursteintreppe hinauf, in deren Fugen Lavendel und Hauswurz wucherten. Der Pfad endete am äußeren Rand der weitläufigen Terrasse. Zu unserer Linken war ein Schwimmbecken auszumachen, Blätter trieben darin und ein leichter Chlorgeruch stieg auf. Rechts säumten Koniferen einen Plattenweg, der geradewegs auf das Gebäude zu führte. Wir hielten uns, so gut es ging, im Schatten der Bäume, überquerten dann die Terrasse und blieben vor der Balkontür stehen. Ein blau-weißes Siegel der Kantonspolizei, das man bei den herrschenden Lichtverhältnissen kaum erkennen konnte, klebte noch am Türrahmen und erinnerte mich daran, dass wir im Begriff waren, einen Tatort zu betreten.
»Beeil dich!«, zischte José und blickte sich angespannt um. Selbst bei Neumond wie jetzt hätte man uns hier problemlos entdecken können, der helle Terrassenboden reflektierte jegliches Licht. Glücklicherweise war die Scheibe der Tür noch nicht ersetzt worden. Breites Klebeband hielt die sich spinnwebartig von der Bruchstelle ausbreitenden Sprünge zusammen.
Vorsichtig langte ich mit der Hand durch das Loch und öffnete die Tür von innen. Das Siegel riss widerstandslos, doch das Knarren der Scharniere schien meilenweit zu hallen. Ich holte tief Luft und schlich ins Haus, gefolgt von José, während zersplittertes Glas unter unseren Sohlen knirschte.
Dank dem Studium der Tatortfotos fand ich mich im Eingangsbereich und der Küche selbst im Dunkeln rasch zurecht. Noch immer waren Blutflecken am Boden und auf der Treppe zu erkennen, sie wirkten jetzt schwarz und unheimlich. Die Kriegerstatuen hatte man offenbar mitgenommen.
Ich sah mich um, ohne auf Anhieb zu entdecken, wonach ich suchte. Was auch ein Wunder gewesen wäre, hatte die Polizei doch den unmittelbaren Tatort mit allen möglichen Technologien auf den Kopf gestellt und jeden Winkel erforscht. Nur war sie auf etwas ganz anderes aus gewesen, als wir es waren.
Ich ging ein paar Schritte auf die Haustür zu. Zu meiner Linken befand sich das Wohnzimmer, das spärlich, aber mit teuer aussehenden Designermöbeln ausgestattet war und über ein Cheminée verfügte, soweit ich das im Halbdunkeln erkennen konnte. In der Diele, von wo aus eine Treppe in den oberen Stock führte, hing ein unheimliches Gemälde, auf dem fünf Gestalten zu erkennen waren. Rechts, in der großzügigen Nische unter der Treppe, stand protzig ein Steinway-Flügel. Skelettartig ragten trockene Äste aus einer riesigen Glasvase, wie dürre Finger streckten sich die Zweige über das Instrument. Ich schauderte und wandte mich ab.
»Nach oben?« José deutete die Treppe hinauf.
Wenn Alice Graf die Kleider irgendwo versteckt hatte, dann war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie das in der Nähe ihres Garderobenschranks getan hatte. Niemand läuft mit einem blutigen Textilbündel in der Wohnung herum, wenn die Polizei gerade dabei ist, den Tod des eigenen Ehemannes zu untersuchen.
Im Vorbeigehen öffnete ich eine Tür, die von der Diele abging, und entdeckte, dass sie in eine Besenkammer führte. Ich trat ein und schloss sie hinter mir, betätigte den Lichtschalter und sah mich einem Staubsauger gegenüber, dessen Rohr über einem Wandregal aus Drahtgitter hing. Im Regal selbst lagerten diverse Putzmittel, Lappen und andere Reinigungsutensilien. Rosies kleines Reich.
Auf dem Boden der Kammer waren mehrere Einkaufstüten aufgereiht, die als Sammelbehälter für Rezykliergut dienten. Glas, Konservendosen und PET-Flaschen befanden sich darin, daneben entdeckte ich eine Schachtel, in der sich Altpapier stapelte. Egal wie reich die Leute auch waren und wie luxuriös sie wohnten, der Abfall sah bei allen gleich aus. Außer dass bei mir vielleicht eher Raviolidosen und leere Whiskyflaschen zu finden waren, während ich hier eindeutig Hummersuppe und Châteauneuf-du-Pape ausmachte.
»Kommst du?« José streckte den Kopf herein. »Und mach um Gottes
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