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Lichterfest

Lichterfest

Titel: Lichterfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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José schüttelte den Kopf.
    »Du kriegst gleich eins auf dein freches Maul! Aber du hast recht. Ein Wunder, dass er nicht das hoteleigene Papier verwendet hat. Oder ein vorgedrucktes Kuvert mit der Absenderadresse drauf.«
    Deswegen also hatte Fernando sich dermaßen geärgert, als er von Schluep verfolgt im Hotel Rothaus aufgetaucht war. Er hatte gewusst, dass er zu überstürzt gehandelt hatte. Tatsächlich war es schon mehr als dämlich, zuerst bei den Grafs aufzutauchen, um sie zu bedrohen, und sich unmittelbar im Anschluss ein anderes Vorgehen auszudenken und einen Erpresserbrief abzuschicken. Rosie hatte Fernando als Hitzkopf bezeichnet. Und er war erst einundzwanzig.
    »Was hat er sich bloß dabei gedacht?« José schüttelte immer noch den Kopf.
    »Ich glaube, im ersten Augenblick hat er nur Graf gesehen, der seine Schwester küsst, was ihn zur Weißglut getrieben hat. Erst später ist ihm aufgefallen, welch brisantes Material er da in den Händen hielt und wie wertvoll es sein könnte. Deswegen hat er sich auf dem Weg zurück in die Stadt plötzlich umentschieden und sich die Erpressung ausgedacht.«
    »Aber wo ist der Brief jetzt?«
    »Wer auch immer ihn entwendet hat, wird ihn versteckt haben. Immerhin ist es ein großformatiger Umschlag, so was trägt man nicht einfach aus einem Gebäude, in dem gerade eine polizeiliche Untersuchung stattfindet. Soviel ich weiß, stehen da immer noch etliche Übertragungswagen davor.«
    José bestätigte dies. »In den letzten drei Tagen bestimmt, ungesehen kam man da nicht rein. Und raus auch nicht. Außerdem ist das Gebäude polizeilich versiegelt. Doch bis heute Abend dürften wohl auch die letzten Reporter abgezogen sein. Solange Frau Graf nicht zurückkehrt, tut sich da nichts mehr. Es gibt mittlerweile neue Skandale.«
    Ich nippte an meinem Drink. So war das. Schlagzeilen waren untreu, promisk geradezu. Selbst wenn man prominent war und spektakulär aus dieser Welt schied, gehörten sie einem nicht länger als zwei, drei Tage, dann ließen sie einen sitzen und warfen sich der nächsten Sensation an den Hals. Ich fragte mich, weshalb sich dann etliche Personen des öffentlichen Interesses und noch vielmehr diejenigen des nicht öffentlichen Interesses so sehr um dieses kurze Vergnügen bemühten.
    »Was ist?«, fragte José.
    Ich wandte mich wieder den Aufnahmen zu. »Diese Bilder … Mir fiel da vorhin noch etwas anderes auf. Etwas sehr Merkwürdiges.«
    »Schieß los!«
    »Ich wundere mich nur, weshalb Alice Graf, die nach eigener Aussage ihren Mann bei der Heimkehr aufgespießt aufgefunden hat, zuerst durch die Diele läuft und die blutbesudelte Treppe runtergeht, dicht an ihrem toten Mann vorbei wohlgemerkt, die Post hinlegt und sich erst dann ihm zuwendet. Anders kann ich mir nicht erklären, wie die Post dahin gekommen sein soll.«
    »Das hat was.« José runzelte alarmiert die Stirn.
    Ich holte mein Notizbuch hervor. »Claire, ihre Nachbarin, hat erwähnt, dass Alice Graf zuerst den Briefkasten geleert hat, bevor sie ins Haus gegangen ist. Was stimmt, stimmen muss sogar, denn das Datum auf der Zeitung ist von Montag, es handelt sich also nicht um alte Post.« Ich deutete auf das Foto, der Zeitungskopf war deutlich zu erkennen.
    José starrte nachdenklich in sein Glas. »Glaubst du, er hat noch gelebt, als sie nach Hause kam?«
    »Ich würde es nicht ausschließen. Die gängige Reaktion wäre ja schon, dass man erschrickt und alles fallen lässt, wenn man den eigenen Ehemann aufgespießt vorfindet. Da müsste die Post doch auf dem Boden verstreut im Eingangsbereich liegen.«
    »Aber weshalb sollte sie dann zu Protokoll geben, dass er schon tot war, als sie hereinkam?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Versicherungsbetrug?«, mutmaßte José. »Ein abgekartetes Spiel. Die Kunsträuber waren angeheuert, nur hat niemand damit gerechnet, dass Graf zu Hause bleiben würde. Er hat sich an diesem Morgen angeblich nicht so gut gefühlt.«
    »Eine Möglichkeit, an die ich auch schon gedacht habe. Nur sind Grafs finanziell derart abgesichert, dass die noch nicht mal einen Versicherungsbetrug über zehn Millionen Franken nötig haben. Und ich glaube kaum, dass Alice Graf ihren Mann deswegen hätte umbringen lassen. Die beiden hatten die Partei aufgebaut und der ganz große Triumph war zum Greifen nah.«
    »Also kein Betrug?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht einmal ein Kunstraub. Die Geschichte stinkt zum Himmel!«
    »Aber wer hat ihn dann

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